Wie erklärst du dir, dass du drei Jahre falsch behandelt wurdest – obwohl deine wahre Erkrankung leicht zu googeln war?
Mir hat vor einiger Zeit mal ein Arzt gesagt: „Im Medizinstudium lernt man, Pferde zu erkennen. Aber keine Zebras.“ Und ich, ich war ein Zebra. Ein seltener Fall, den man im Vergleich zu Pferden kaum sieht. Und der rein statistisch gesehen mit sehr geringer Wahrscheinlichkeit in die Praxis marschiert. Diagnosen werden oft vorschnell anhand von ein paar Symptomen mit Rückgriff auf die Statistik getroffen, teure Untersuchungen vermieden und Diagnosen von vorherigen Ärzten nicht in Frage gestellt. Und genau so passiert es, dass die entscheidenden Indizien fehlen, die schon viel früher bewiesen hätten, dass ich kein Pferd, sondern ein Zebra bin, das eine ganz andere Behandlung braucht.
Einige Ärzte hatten dich zeitweilig fast aufgegeben – nur durch deine aktive Suche nach Hilfe konntest du überleben. Hast du einen Rat für Schwerkranke, die sich vom deutschen Gesundheitssystem im Stich gelassen fühlen?
Ja! Hilfe existiert nicht nur im deutschen Gesundheitssystem. Hilfe existiert auch unter Leidensgenossen, in Vereinen, Selbsthilfegruppen und durch Psychologen. Aber um diese Hilfe muss man bitten beziehungsweise aktiv werden, offen sein, sich dahinter klemmen. Manchmal können aber gerade diese Hilfen entscheidend sein, um uns neue Wege aufzeigen, Kontakte zu vermitteln und vieles mehr.
Im Buch berichtest du auch von einer Nahtod-Erfahrung. Wie war das für dich?
Meine zweite Nahtoderfahrung erlebte ich während meinem letzten Mal Kammerflimmern inklusive acht Elektroschocks meines implantierten Defibrillators. Nach den ersten beiden Schocks wurde ich ohnmächtig und plötzlich rasten ganz viele Bilder an meinem inneren Auge vorbei. So schnell, dass ich mich nicht mehr an den Inhalt der Bilder erinnern kann. Bis auf das letzte Bild. Denn das war wieder mein Blick vom Krankenbett aus. Ich war wieder wach. Schwestern wuselten um mich herum, große Aufregung war im Krankenzimmer. Doch sowohl bei meiner ersten Nahtoderfahrung, die ich während meines zweiten Herzstillstandes hatte, als auch bei dieser zweiten Nahtoderfahrung hatte ich nie das Gefühl, dass es etwas Schlimmes ist. Im Gegenteil – beim ersten Mal fühlte sich alles wie ein schöner Traum an. Bis ich wieder wach wurde und die Schmerzen durch die Elektroschocks spürte. Seitdem habe ich keine Angst mehr vor dem Sterben.
Du schreibst, mit dem neuen Herzen hättest du eine große Verantwortung übernommen. Was genau meinst du damit?
Ein fremder Mensch machte mir das größte Geschenk, das es wohl auf Erden gibt: Sie/er schenkte mir ihr/sein Herz und damit Lebenszeit! Lebenszeit, die sonst nicht mehr möglich gewesen wäre. Doch gleichzeitig bin ich der Meinung, dass man sich auch bewusst sein sollte, dass man mit diesem Geschenk auch Verantwortung übernimmt. Verantwortung für etwas, das für einen anderen Menschen etwas ganz Kostbares war und selbstlos verschenkt wurde. Verantwortung, dieses fremde Herz in meiner Brust zu pflegen, gut zu ihm zu sein, und es für das zu nutzen, wofür es geschenkt wurde: Für ein intensives, ereignisreiches und schönes Leben. Ein Leben, das man für sich lebt, aber irgendwie auch für seinen Heldenmenschen, von dem ein Teil nun für immer in einem schlägt.