Aktuelles | 08.09.2023 | Goldmann

Drei Fragen an Costanza Casati zu ihrem Debütroman »Klytämnestra«

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»Klytämnestra, die jahrhundertelang als Mörderin und archetypisch »böse Ehefrau« dargestellt wurde, ist eigentlich eine unglaublich moderne Figur: eine mächtige Frau, die sich weigert ihren Platz zu kennen.«

Die Debütautorin Costanza Casati verleiht einer von der Geschichte verurteilten Frau eine Stimme: Klytämnestra ist eine epische, feministische Neuerzählung der Geschichte der berüchtigten Königin von Sparta. Costanza erzählt uns, warum sie sich dazu entschieden hat, über Klytämnestra zu schreiben, über die Figuren, die sie für das Buch erschaffen hat und über ihre Lieblingserzählungen der griechischen Mythologie.

 

Warum Klytämnestra? Was hat ihre Geschichte zu der gemacht, die Sie erzählen wollten?

Dafür gibt es so viele Gründe! Sie ist mächtig, klug, kämpferisch und eigensinnig. In den antiken Texten ist sie eine wirklich prägende Figur: Sie wird aufgrund ihrer Macht gefürchtet sowie respektiert und vor allem lässt sie sich von den Männern um sie herum nicht unterkriegen. Und dann sind da noch all die Mythen, die sich um sie ranken, die ich aus ihrer Sicht ergründen wollte. Klytämnestra ist mit einigen der faszinierendsten Figuren aus dem Mythos verbunden: Sie ist die Schwester von Helena, die Cousine von Penelope, die Geliebte von Aigisthos und die Tochter von Leda.

Schon ihre allererste Erwähnung in der Odyssee ist unvergesslich. Als Odysseus in der Unterwelt auf Agamemnon trifft, sprechen sie über ihre Frauen Penelope und Klytämnestra und Agamemnon sagt:

»Glücklicher Sohn Laertes, erfindungsreicher Odysseus,
Wahrlich dir ward ein Weib von großer Tugend beschieden!
Welche treffliche Seele hat doch Ikarios' Tochter
Penelopeia! Wie treu die Edle dem Manne der Jugend,
Ihrem Odysseus, blieb! O nimmer verschwindet der Nachruhm
Ihrer Tugend; die Götter verewigen unter den Menschen
Durch den schönsten Gesang die keusche Penelopeia!
Nicht wie Tyndareos' Tochter verübte sie schändliche Taten,
Welche den Mann der Jugend erschlug, und ein ewiges Schandlied
Unter den Sterblichen ist; denn sie hat auf immer der Weiber
Namen entehrt, wenn eine sich auch des Guten befleißigt!«

Klytämnestra, die jahrhundertelang als Mörderin und archetypisch »böse Ehefrau« dargestellt wurde, ist eigentlich eine unglaublich moderne Figur: eine mächtige Frau, die sich weigert ihren Platz zu kennen. Wenn man ihre Geschichte kennt – ihre ganze Geschichte – kann man nicht anders, als sich in sie zu verlieben.

 

Welche Charaktere aus dem Buch stammen von Ihnen?

Einige der Figuren sind meine eigenen Schöpfung: Klytämnestras Wächter in Mykene, Leon, und ihre treue Dienerin Aylin. Die Ältesten kommen natürlich in Aischylos‘ Agamemnon vor, aber als Chor, während ich ihnen Namen und spezifische Motive gegeben habe.

Eine Figur, die ganz und gar von mir stammt, ist Kyniska. Um sie zu schreiben, habe ich mich auf eine Frau gestützt, die wirklich existiert hat (wenn auch viele Jahre später und ohne Verbindung zu Klytämnestras Geschichte): die spartanische Frau, die dafür berühmt ist, dass sie 392 v. Chr. als erste die Olympischen Spiele gewann. Dann gibt es noch Timandra, Klytämnestras Schwester, und Tantalos, Klytämnestras ersten Ehemann, die in Quellen zwar vorkommen, aber nur als flüchtige Namen. Timandra wird in Fragmenten von den Dichtern Stesichoros und Hesiod erwähnt. Dort heißt es, dass Timandra ihrem Mann untreu war, genau wie ihre Schwestern, und zwar wegen einer Sünde, die ihr Vater Tyndareos begangen hatte, als er vergaß Aphrodite zu opfern. Ich fand diese Fragmente unglaublich faszinierend und wollte Timandras Geschichte weiter ergründen. Tantalos von Mäonien (oder Lydien) war eine weitere Figur, die mich ansprach, weil er für Klytämnestras Geschichte so wichtig ist. Sein Name taucht in Euripides‘ Iphigenie in Aulis auf.

 

Gefühlt sind moderne Neuerzählungen von griechischen Mythen ein eigenes Genre. Haben Sie bestimmte Favoriten?

Da gibt es so viele! Die ersten Neuerzählungen, in die ich mich verliebt habe, sind The Song of Achilles und The Children of Jocasta. In beiden werden die Geschichten sehr berühmter Figuren aus dem Mythos – Achill und Ödipus – aus der Perspektive weniger bekannter Figuren dargestellt: dem schüchternen Patroklos in Millers Roman und Ödipus‘ Frau und Tochter in Haynes‘ Buch. Was ich an Millers und Haynes‘ Romanen am meisten liebe, ist die Art und Weise, wie sie den Geist des antiken Griechenlands wiedergeben: Sie verschleiern tadellose Recherchen hinter flüssiger und lyrischer Prosa. Zu meinen weiteren Favoriten gehören Ariadne, The Silence of the Girls und Circe.

 

 


Das Originalinterview wurde mit Penguin Random House geführt.
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