Birte Meier im Interview
Die vielfach ausgezeichnete Investigativjournalistin über Lohndiskriminierung von Frauen.
Frau Meier, warum ist es in Deutschland so schwierig, Lohndiskriminierung zu ahnden?
Wir tun immer noch so, als seien gleiche Löhne keine Selbstverständlichkeit, sondern ein Nice-to-have, das Firmen nach Gutdünken gewähren können. Bis heute fehlt ein wirksames Gesetz, das die EU-Vorgaben umfassend umsetzt. Auch Arbeitsgerichte sind lange nicht der eigentlich verpflichtenden europäischen Rechtsprechung gefolgt. Dabei ist die im Grunde genommen ganz simpel: Verdient ein Mann für einen vergleichbaren Job besser als Sie, muss es hierfür sachliche Gründe geben. Hat er die nicht, muss Ihr Arbeitgeber Ihr Gehalt an das des Kollegen angleichen. Das hat neuerdings auch das Bundesarbeitsgericht anerkannt – ein Riesen-Fortschritt in Richtung gleiche Löhne. Noch besser aber wäre ein ordentliches Gesetz, das Unternehmen von vornherein stärker in die Pflicht nimmt und Frauen so manchen - extrem belastenden - Weg übers Gericht erspart.
Wie kommen wir dahin?
Reden Sie über Geld - denn das ist nicht verboten, auch wenn Ihr Arbeitgeber das behauptet. Machen Sie sich klar, worauf Frauen verzichten – Gerichtsverfahren zeigen, dass Lohnlücken von 500 bis 1000 Euro im Monat keine Seltenheit sind. Schließen Sie sich mit Kolleginnen zusammen und werden Sie laut. Fordern Sie Transparenz in Ihrem Unternehmen! Informieren Sie sich, thematisieren Sie Equal Pay in Berufsverbänden und nehmen Sie Ihre Bundestagsabgeordneten in die Pflicht. Unterstützen Sie diejenigen, die für Gleichbezahlung kämpfen: In den vergangenen Jahren haben wenige Frauen durch ihre Klagen mehr erreicht als die Politik in den vergangenen Jahrzehnten. Und: Männer sind ausdrücklich ermuntert, sich solidarisch zu zeigen! In meinem Buch finden sich Beispiele, wie einfach und wirksam das sein kann.
Was muss ich beachten, wenn ich ahne, dass ich schlechter bezahlt werde?
Der wichtigste Tipp widerspricht allem, was man Frauen je beibrachte: Bloß nicht nett sein. Höfliche Zurückhaltung bringt uns nicht weiter. Holen Sie fachkundigen Rat ein, kümmern Sie sich um eine Rechtsschutzversicherung, und erbitten Sie Auskunft. Das klingt erst einmal einfach – kann aber leider kompliziert werden. Mir war daher wichtig, einmal alle Hürden auf dem Weg zu Equal Pay zusammenzutragen, damit Arbeitgeber nicht mehr mit denselben alten Tricks durchkommen – und Frauen von der Politik konkret einfordern können, welche Hürden endlich aus dem Weg geräumt werden müssen.
Sie haben selbst für Ihr Recht auf gleiche Bezahlung geklagt, haben aber auch mit anderen Frauen, die sich beschwerten, und vielen Expert*innen gesprochen. Was hat Sie bei Ihren Recherchen am meisten überrascht?
Wie sehr sich die Reaktionen der Arbeitgeber gegenüber Frauen, die gleiche Bezahlung einfordern, ähneln. Das hat etwas tröstliches, ist aber auch ziemlich erschreckend.
© Goldmann Verlag
Bei gleichzeitiger Buchvorstellung zum Abdruck freigegeben
Janne Lemke