Kannst du das vielleicht an einem Beispiel erläutern?
Nehmen wir das Projekt »Lighthouse«. Das ist ein interner Markt-Monitor, den wir gerade an den Start gebracht haben. Er stellt umfangreiche Marktinformationen zur Verfügung, die interaktiv mit ein paar Klicks zusammengestellt werden können. Zusammen mit den Kolleg*innen aus weiteren Teams haben wir ein Dashboard entwickelt, das es jetzt jeder*m im Haus ermöglicht, aktuelle Umsatzzahlen der Verlagsgruppe, einzelner Verlage oder Titel im Vergleich zur Konkurrenz zu betrachten.
Was bedeutet das für die Lektorate im Haus?
Unser Tool soll Hilfestellung geben. Wenn in den Lektoraten Entscheidungen darüber getroffen werden, welche Buchprojekte man ins Programm nimmt, so ist ein Blick in die Verkaufszahlen von vergleichbaren Titeln oder Entwicklungen ganzer Warengruppen enorm hilfreich. Dafür mussten die Programmkolleg*innen bislang erheblich mehr Recherche- und Zeitaufwand betreiben.
Wir sind hier übrigens noch in der Basisversion. Bald werden die Kolleg*innen in den Verlagsteams sogar nachschauen können, wie ein vergleichbares Buch mit einem bestimmten Ladenpreis welche Verkaufszahlen erreicht hat, bzw. welche Ladenpreise für bestimmte Titel am Markt akzeptiert werden. Eine ganze Menge an Informationen also, die mit wenig Aufwand für alle im Haus zugänglich gemacht werden. Eine solche Transparenz wäre vor einigen Jahren undenkbar gewesen. Selbst heute sind Absatzzahlen in manchen Verlagen immer noch gut gehütete Geheimnisse, die allenfalls den Abteilungsleitungen vorbehalten sind.
Woran arbeitet ihr noch gerade?
Momentan beschäftigen wir uns mit Suchbegriffen für die Online-Recherche.
Wer heute etwas im Internet recherchiert oder gar erwirbt, hinterlässt in der Regel Daten über sein Kaufverhalten. Diese dürfen an andere Unternehmen weitergegeben werden. Wir bekommen von Versandhändlern regelmäßig ein Ranking der am häufigsten eingegebenen Suchwörter. Das sind für uns sehr wichtige Informationen.
Da klingelt die Alarmglocke. Wird man jetzt als Buchkäufer*in durchleuchtet?
Nein, es handelt sich um anonyme Daten, die hier erhoben werden. Übrigens stimmt man der Erhebung beim Besuch der Seiten zu. Wir erhalten Daten zu Kaufverhalten und Trends aber keine personenbezogenen Informationen.
Und was macht ihr mit diesen Daten?
Wir bereiten sie so auf, dass sie genutzt werden können. Dafür entwickeln wir gerade ein Tool, das für jeden Titel datengestützt die passendsten Keywords vorschlägt. Das bringt vor allem für die Backlist verbesserte Sichtbarkeit und Auffindbarkeit. Die Verlagsgruppe hat ca. 20.000 Titel lieferbar, davon sind viele seit Jahren im Programm und häufig nicht oder nur unzureichend vertaggt. Dazu kommt, dass sich die Trends in den Suchanfragen verändern. Wir suchen nach Lösungen, um diesen Prozess zu automatisieren und unseren gesamten Katalog auffindbarer zu machen.
Es geht also ausschließlich um Auffindbarkeit der Titel im Netz?
Nicht ganz. Die Rankings der am häufigsten eingegebenen Suchwörter geben auch Aufschluss über aktuelle Trends. Das können für die Programmarbeit äußerst nützliche Informationen sein. Unsere jüngste Verlagsgründung Yuna macht sich das systematisch zunutze und entwickelt Buchprojekte auf Basis der Analyse genau solcher Daten.
Verliert das Büchermachen nicht seine Seele, wenn immer mehr Entscheidungen auf Algorithmen und Daten gestützt werden? Wo bleibt da die Kreativität?
Natürlich sind Erfahrung und das richtige Bauchgefühl für jede*n Programmmacher*in nach wie vor das A und O. Daran wird sich auch in Zukunft nichts ändern. Unsere Tools verstehen sich als Unterstützung. Sie beschleunigen und dynamisieren etwa die Keyword-Vergabe für jeden einzelnen Titel und dienen zum anderen zur Themenfindung und Potenzialeinschätzung. Die Prognose, ob und wie erfolgreich ein Buch wird, ist und bleibt vage. Wir versuchen den Blick in die Glaskugel immer weiter zu schärfen.
Suchworte und andere Komponenten von Metadaten werden also künftig automatisch generiert. Sprechen wir hier schon von KI?
Wenn ein Tool eigenständig Keywords vergibt, dabei immer weiter lernt und mit aktuellen Verkaufsentwicklungen abgleicht, können wir von KI sprechen. Für die vielen Backlisttitel in unseren Programmen ist das eine tolle Chance, jeweils aktuell wieder sichtbarer zu werden und Leser*innen zu gewinnen.
Wie laufen denn die Entwicklungen im Bereich BI bei unseren internationalen Penguin Random House Kolleg*innen?
Unsere Märkte funktionieren zu großen Teilen in ihren jeweiligen Sprachräumen. Dennoch gibt es eine kleine Anzahl von großen internationalen Titeln, die in den verschiedenen Penguin Random House Verlagen der einzelnen Länder publiziert werden, wie zum Beispiel die Bücher von Michelle und Barack Obama. Hier streben wir einen internationalen Datenpool an. Der sogenannte »Global Title Lookup« führt Daten aus den Verkaufsländern zusammen und kann sehr nützliche Informationen liefern für weitere Marketingaktionen rund um das Erscheinen dieser oder vergleichbarer Titel.
Wenn sich alle diese Dinge so etablieren, wirkt sich das vermutlich auch auf Arbeitsweisen in manchen Bereichen aus?
Absolut. Alle im Haus werden im Laufe der Zeit ein verstärktes Bewusstsein für Daten entwickeln. Wir müssen auf produktive Weise Daten sammeln, kombinieren, sie analysieren und interpretieren, um in Zukunft erfolgreich zu bleiben.
Es geht immer darum, Prozesse effizienter zu gestalten, um Zeit für kreative und strategische Aufgaben zu gewinnen. Außerdem sind Entscheidungen, die auf einer breiten Basis von Erfahrung und gut interpretierten Daten getroffen werden, letztlich die, die das Unternehmen voranbringen.
Interview: Markus Desaga