»Wer die Rolling Stones live im Fernsehen sieht, würde hinterher auch nicht behaupten, schon mal auf einem Stones-Konzert gewesen zu sein.«
Digital, analog oder hybrid? Über Veranstaltungsformate der Zukunft
Dominik Rößler ist Senior Manager für Webinare, Web-TV und Videoproduktionen. Von ihm wollten wir wissen, wie digital die Veranstaltungsformate der Zukunft sein müssen, welche Rolle Live-Streams und Webinare für Buchverlage spielen und warum analoge Veranstaltungen niemals ihren Reiz verlieren werden.
Dominik, was sind die Schwerpunkte deiner Arbeit?
Vor neun Jahren haben wir auf unserem Portal www.litlounge.de damit begonnen, selbst produzierte Veranstaltungen mit Autor*innen live ins Internet zu streamen. Seitdem entwickeln wir unterschiedliche Reihen und Formate. Auf dem Portal halten wir alle Events abrufbar und kündigen die neuen an. Mit der technischen Infrastruktur der Seite streamen wir mittlerweile auf verschiedenen Plattformen wie YouTube, Facebook oder Twitch gleichzeitig.
Ein weiterer Schwerpunkt ist unsere hauseigene Videotrailer-Produktion für unsere Autor*innen. Wir haben ein gut ausgestattetes Aufnahmestudio im Verlagsgebäude, wo wir selbst kamerascheue Autor*innen bestmöglich in Szene setzen können.
Der dritte Bereich sind Videokurse, die wir seit 2015 im Bereich Psychologie- und Lebenshilfe mit Autor*innen wie Stefanie Stahl, Bärbel Wardetzki oder Jens Corssen produzieren. Seit 2017 verantwortet Beate Muschler diesen Bereich mit einem eigenen Team und vermarktet es erfolgreich auf www.sinnsucher.de.
2019 kam dann die Produktion von Audio-Podcasts hinzu. Einige Formate wie das Buchempfehlungsformat »Long Story Short« und »Fangen wir an« produzieren wir selbst.
Kommen wir auf den Bereich zu sprechen, der in der Corona-Zeit sicher eine ganz neue Bedeutung erfahren hat. Was macht Live-Streams für einen Buchverlag so spannend?
Zunächst einmal sind Live-Streams eine weitere Möglichkeit, Autor*innen mit ihren Leser*innen direkt zusammen und in Austausch miteinander zu bringen. Und das geht auch online ganz interaktiv. In unseren live gestreamten Events können wir Interaktionselemente wie Q&As oder Umfragen einbinden und unsere Autor*innen von einem beliebigen Ort aus zuschalten. Das kann ihr privates Umfeld sein oder sie sitzen in unserem Aufnahmestudio im Verlag. Die Zuschauer*innen haben die Möglichkeit, in direkten Kontakt mit ihnen zu treten und in Echtzeit Fragen zu stellen, die dann live vor der Kamera beantwortet werden. Es gibt sicher einige, die sich zuhause am Bildschirm eher trauen, eine Frage zu stellen, als mit Mikrofon im vollen Veranstaltungssaal. Durch die Möglichkeiten der Interaktion fühlt es sich fast wie eine „echte“ Live-Veranstaltung an und hat für Veranstalter außerdem den positiven Nebeneffekt, dass Kosten für Reise, Saalmiete usw. weitgehend entfallen.
Okay, eine Menge Vorteile. Denkst du, dass Live-Streams, die technisch immer weiter optimiert werden, irgendwann die klassische Veranstaltung überflüssig machen?
Nein, Live-Streams werden klassische Veranstaltungen niemals ersetzen. Und das ist auch gut so. Live an einer Veranstaltung gemeinsam mit anderen Menschen teilzunehmen, ist ein Erlebnis. Ich ziehe mich dem Anlass entsprechend an, ich verabrede mich vielleicht mit Freunden und gehe davor oder danach noch etwas trinken oder essen. Ich nehme die Atmosphäre des Veranstaltungsorts mit allen Sinnen wahr und erlebe diesen konkreten Abend im wahrsten Sinne des Wortes. Ein nicht aufgezeichneter Live-Stream ist zwar auch einmalig, kann aber ein solches Erlebnis nur in abgedämpfter Form vermitteln. Ich schalte mich ohne großen Aufwand zuhause auf der Couch zu, schalte aber genauso schnell wieder ab, sollte mich das Thema oder die Veranstaltung doch nicht interessieren.
Du meinst, die Entscheidungen für oder gegen einen solchen Stream sind flüchtig, spontan und daher auch unverbindlicher?
Ja genau, deshalb habe ich auch schon vor der Corona-Pandemie nie die Sorge geteilt, dass digitale Lesungen die physischen Veranstaltungen irgendwann komplett verdrängen. Die Erlebnisse sind viel zu verschieden. Wer die Rolling Stones live im Fernsehen sieht, würde hinterher auch nicht behaupten, schon mal auf einem Stones-Konzert gewesen zu sein. Digitale und physische Events stehen nicht in Konkurrenz zueinander, denn sie erfüllen unterschiedliche Bedürfnisse.