Vom schönen Kunstbuch zur Kunst der schönen Bücher
Interview mit Christian Rieker zum 100. Geburtstag des Prestel Verlags
Christian, du bist 2009 Verlagsleiter bei Prestel geworden. Wie kam es dazu?
Ich war damals Geschäftsführer eines auf Bildbände spezialisierten Verlages, der ebenso wie Prestel Ausstellungskataloge veröffentlichte. Sowohl die internationale Aufstellung als auch das Umfeld in der größten Verlagsgruppe Deutschlands haben mich bei Prestel sofort begeistert. Ich wusste, so ein Angebot kommt nicht oft daher und habe recht spontan zugesagt.
Welchen Verlag hast du vorgefunden und was hast du zusammen mit dem Verlagsteam im Laufe der Jahre verändert?
Prestel war damals in einer typischen Übergangsphase. Bei der Verlagsgruppe als neuer Eigentümerin wurde die erste Euphorie über das wunderschöne Prestel-Programm zunehmend von kritischen Fragen nach Rentabilität, Standardisierung und Verkäuflichkeit abgelöst. Und bei den Prestel-Kollegen wich die Begeisterung über die Potenz des neuen Eigentümers langsam der Erkenntnis, dass es mit der reinen Fokussierung auf Kunst-Themen perspektivisch so nicht weitergehen würde. Heute, mit Blick auf den geschrumpften Kunstbuchmarkt, bin ich froh, dass wir damals damit begonnen haben, unser Spektrum hin zu sorgfältig ausgewählten Mode-, Foto- und Lifestylethemen zu erweitern.
Die Programme von Prestel unterscheiden sich schon sehr von denen der übrigen Verlage im Haus. Ein reiner Bildband-Verlag aber mit breitem thematischem Spektrum. Außerdem ein deutsch- und ein englischsprachiges Programm. Wie fügt sich das ein in die Penguin Random House Familie?
Positiv gesehen: Wir haben mit unserem programmatischen Profil und unserer DNA als international agierender Verlag tatsächlich eine echte Alleinstellung in der Familie. Das macht Spaß und wir sind im Team auch alle ein wenig stolz auf das, was wir hier jeden Tag tun.
Andererseits wäre es aber geschönt, zu behaupten, dass sich immer alles ganz wunderbar zusammengefügt hätte. Seien wir ehrlich: Viel mehr Komplexität als bei Prestel mit seiner Programm- und Format-, aber auch Kundenvielfalt ist in einem Buchverlag kaum denkbar. Das macht die Arbeit für die zentralen Abteilungen sehr viel kleinteiliger. Dazu kommt das internationale Geschäft, das organisatorisch im Haus abgebildet werden musste. Dank des enorm engagierten Prestel-Kernteams, aber auch der zentralen Abteilungen und der Geschäftsführung hier im Haus, die für die spezifischen Belange des Prestel-Programms immer ein offenes Ohr haben, konnte sich unser Verlag seit nunmehr 16 Jahren erfolgreich behaupten und weiterentwickeln.
Weil du das internationale Geschäft erwähnst: Die Verlagsgruppe verlegt und verkauft deutschsprachige Titel in einem deutschsprachigen Markt. Nur Prestel bildet hier eine Ausnahme. Wie baut man ein internationales Vertriebsnetz auf, dass von München aus gesteuert wird?
Richtig, Prestel vertreibt sein englischsprachiges Programm weltweit. Unsere Vertriebspartner werden dabei durch das Team unserer in London ansässigen Tochtergesellschaft Prestel Ltd. gesteuert. Aber es geht nicht nur um den Vertrieb. In unseren Büros in London und New York arbeiten auch Lektor*innen, die sich verstärkt um die international gängigen Themen kümmern und eng mit unseren Münchner Programm-Teams zusammenarbeiten.