Zum 90. Geburtstag von Jean Ziegler
C.Bertelsmann und der Penguin Verlag gratulieren dem kämpferischen Globalisierungskritiker
»Alle 5 Sekunden verhungert auf der Welt ein Kind unter 10 Jahren. Ein Kind, das an Hunger stirbt, wird ermordet. Wir leben in einer kannibalischen Weltordnung.«
Der Kampf für Menschenwürde und für eine gerechtere Verteilung der Ressourcen unseres Planeten ist das Lebensthema von Jean Ziegler, unserem langjährigem C.Bertelsmann-Autor, ehemaligem UN-Sonderberichterstatter für das Recht auf Nahrung, Mitglied der UN-Taskforce für humanitäre Hilfe und Mitglied des beratenden Ausschusses des UN-Menschrechtsrats.
Anlässlich seines 90. Geburtstags am 19. April 2024 ist sein Buch »Wie kommt der Hunger in die Welt. Antworten auf die Fragen meines Sohnes« mit einem neuen Vorwort soeben im Penguin Taschenbuch erschienen.
Jean Ziegler ist Soziologe, Politiker, emeritierter Professor sowie Autor von dutzend Büchern bei C. Bertelsmann und Penguin, darunter die Bestseller »Ändere die Welt!«, »Der schmale Grat der Hoffnung«, »Was ist so schlimm am Kapitalismus?«, »Warum wir weiter kämpfen« oder »Die Schande Europas«. Damit gilt Ziegler als einer der auflagenstärksten und profiliertesten Kritiker des globalisierten Kapitalismus – und einer der streitbarsten.
Geboren am 19. April 1934 als Hans Ziegler im schweizerischen Thun, wächst er als Sohn des Gerichtspräsidenten in einer »liebenden Familie« auf, in einem »richtigen protestantischen Mittelklasse-Milieu«. Als er als Jugendlicher auf dem Weg in die Schule zerlumpte und unterernährte Kinder sieht, die im Winter frierend Kühe hüten müssen, während die Großbauern im Restaurant Sauerkraut mit Wurst essen, spricht er seinen Vater entsetzt darauf an. Dieser erklärt, dass dies Verding-Kinder seien, die von ihren armen Eltern zu reichen Bauern gegeben würden, um dort zu arbeiten: »Da kannst Du nichts tun, das ist die Vorsehung. Gott hat es so gewollt.« Jean Ziegler darüber im Rückblick: »Wenn Du diesen Satz einem 15-Jährigen sagst, dann geht er in die Luft«. Ein Schlüsselerlebnis, wie er später feststellt. Er rebelliert gegen diese calvinistische Prädestinationslehre, überwirft sich mit seinem Vater und geht nach Paris, fest entschlossen, für eine gerechtere Welt zu kämpfen.
In Paris lernt er Jean-Paul Sartre und Simone de Beauvoir kennen, schreibt für Les Temps Modernes einen Artikel, den Simone de Beauvoir zerpflückt. Als sie seinen Namen unter dem Artikel entdeckt, fragt sie: »Hans? Was ist das? Das ist doch kein Name!« Kurzerhand streicht sie Hans und macht daraus Jean – ein neuer Name, mit dem sich Jean Ziegler bis heute identifiziert.
Legendär ist Jean Zieglers Bekanntschaft mit Che Guevara, den er zuerst auf Kuba trifft und kurz darauf ein weiteres Mal in Genf, wo er Guevaras Chauffeur während der ersten Weltzuckerkonferenz der UNO ist. Als er den Commandante bittet, ihn mit nach Kuba zu nehmen, zeigt dieser auf die glitzernde Leuchtreklame der Stadt: »Hier ist das Hirn des Monsters, hier musst Du kämpfen.« Ziegler ist am Boden zerstört, erst später erkennt er, dass Che Guevara ihm, der keinerlei militärische Ausbildung hatte, damit das Leben gerettet hat. Er blieb in der Schweiz, studierte Soziologie und trat mit 25 Jahren vom Protestantismus zum Katholizismus über.
»Ich glaube an Gott. Es ist so viel Liebe in der Welt, die muss von irgendwoher kommen. Ich bin ein Linker, der für das Reich Gottes kämpft«, sagt er in einem Gespräch mit Herlinde Kölbl im ZEIT Magazin.
Immer wieder macht er sich für ein Grundrecht auf Nahrung stark und prangert über Jahrzehnte den unablässigen Krieg der Reichen gegen die Armen an. »Wir könnten uns doch nicht mehr im Spiegel ansehen, wenn wir kampflos aufgeben würden. Entweder ich helfe denen, denen Leib und Leben genommen werden, dann hat mein Leben einen Sinn. Tue ich das nicht, ist mein Leben sinnlos.« Doch er sieht auch Hoffnung. »Heute wird viel stärker Gerechtigkeit eingefordert als früher«, sagt er Arno Widmann 2019 in der Berliner Zeitung. »Die Revolution ist nicht einfach eine Forderung, die wir herantragen an die Welt. Sie steckt in der Welt. Sie ist in ihr, wie Sartre sagt, inkarniert. Wie und wann sie sich Bahn bricht, weiß man nicht. Aber sie kommt. Die Menschwerdung ist im Gange.«
Wir gratulieren unserem kämpferischen Autor zum 90. Geburtstag!
Schon jetzt freuen wir uns auf die Veranstaltung mit ihm am 5. Juni um 19.30 Uhr im Münchner Volkstheater: Wie kommt der Hunger in die Welt? Ein Abend mit Jean Ziegler zum 90. Geburtstag
Heidrun Gebhardt