Aktuelles | 30.08.2022 | Goldmann

Warum das Ende der Dinosaurier unser Anfang war und was ein Asteroid damit zu tun hat

riley-black.jpg

Ein Interview mit Riley Black zu ihrem Wissenschaftssachbuch „Die letzten Tage der Dinosaurier“

media:image:f205c5e3-3aaf-40d6-8ee9-b3d16e93f2ac

Cover

Neben Ihren zahlreichen Artikeln und Fachbüchern hatten Sie die Gelegenheit, als Expertin an der Entstehung von Jurassic World mitzuarbeiten. Was sind von Michael Crichton verursachte Fehlannahmen zu der Welt der Dinosaurier, die Sie gerne aus der Welt schaffen wollen?

Das Thema Jurassic Park ist heikel. Durch den ersten Film haben viele von uns einen ersten Eindruck von den „neuen“ Dinosauriern erhalten: sehr aktive und schlaue Dinosaurier, die anhand der neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse modelliert wurden. Manches wurde erfunden, wie der giftspuckende Dilophosaurus mit Nackenkrause, aber das Buch sowie der Film haben sich definitiv an wissenschaftlichen Erkenntnissen orientiert. Erst mit der Zeit haben sich die Dinosaurier immer mehr zu Monstern entwickelt. Viele der Ungenauigkeiten und Fehler haben es in die Filme geschafft, nur um die Dinosaurier „cooler“ und interessanter für die Zuschauer zu gestalten. Die Jurassic Park und Jurassic World Filme zeigen uns ein sehr eingeschränktes Dinosaurierbild: das Bild von bedrohlichen und schuppigen Ungeheuern. […]

Müsste ich mich aber für einen Film-Fehler entscheiden, dann dafür, dass der T.-Rex dich nicht sehen konnte, solange du dich nicht bewegt hast. Das ist absurd und lässt sich auf den Einbau von Frosch DNS in die fiktionalen Dinosaurier-Genome zurückführen. In Wirklichkeit hatten T.-Rexe für Dinosaurier ein außergewöhnliches Sehvermögen. Sie hatten nicht nur Augen von der Größe eines Softballs, diese waren für eine verbesserten Tiefenwahrnehmung auch noch nach vorne ausgerichtet. Wenn dich also ein Dinosaurier gestochen scharf sehen konnte, dann war es der T.-Rex.

 

Wie wahrscheinlich ist es, dass in Zukunft ein erneutes Massensterben, ausgelöst durch einen Asteroideneinschlag, auftritt?

Solange die Erde existiert, wird sie auch weiterhin von kleineren Gesteinsbrocken getroffen werden. Das passiert häufiger. Es ist aber unwahrscheinlich, dass wir einen erneuten Einschlag im Ausmaß der Kreidezeit-Auslöschung erleben werden. Unsere Vorgeschichte stützt diese These. Von fünf Massensterben, die sich über hunderte Millionen Jahre ereignet haben, wurde nur eines von einem Asteroideneinschlag verursacht. Viel beängstigender ist es, dass wir Menschen derzeit ein sechstes Massensterben auslösen. Das wirkt vielleicht nicht so dramatisch wie ein Asteroid, der auf der Erde einschlägt, aber der menschengemachte Klimawandel und die fortschreitende Habitatszerstörung werden eine Sterbewelle von bisher unbekanntem Ausmaß nach sich ziehen. Anstatt von einem einzigen heldenhaften Moment zu träumen, an dem die Erde von mutigen Wissenschaftlern gerettet wird, sollten wir einen Schritt zurück treten und uns fragen, wie wir hier und jetzt handeln können um die derzeitige Krise aufzuhalten. Wir befinden uns an einem Wendepunkt, an dem auf Erden in zehn Millionen Jahren entweder ein sechstes Massensterben geschehen ist oder das Leben erneut einen Weg gefunden hat, zu gedeihen. 

 

Was wäre Ihrer Meinung nach geschehen, wenn der Asteroid die Erde verfehlt hätte? Wie hätte sich das Leben auf unserem Planeten entwickelt?

Wäre der Asteroid nicht, oder auch nur in abgeschwächter Form, eingeschlagen, würden wir uns vermutlich immer noch im Dinosaurier-Zeitalter befinden. Bereits vor diesem Ereignis, vor ungefähr 200 Millionen Jahren, haben die Dinosaurier ein Massensterben überlebt. Auch haben sie sich an Kontinentalverschiebungen, verschiedene Klimazonen und weitere grundlegende Veränderungen auf diesem Planeten angepasst. Um die Dinosaurier zu dezimieren und Vögel als einzige Überlebende zurückzulassen, war ein massiv einschneidendes Ereignis notwendig. […] Es spricht also alles dafür, dass Nachkommen der Tyrannosaurier, der gehörnten Dinosaurier und der Entenschnabel-Dinosaurier immer noch auf der Erde wandeln würden.

[…]

 

Neben Ihrer wissenschaftlichen Arbeit setzen Sie sich auch für mehr Diversität in der Paläontologie ein. Was muss sich Ihrer Meinung nach in der Wissenschaft ändern, um diesem Ziel näher zu kommen?

Ich finde es großartig, dass die Paläontologie die Geschichte aller ist. Menschen mit den unterschiedlichsten Lebensumständen sind fasziniert davon, Dinge über die Vergangenheit, unserer kollektiven Geschichte, zu lernen. Bei meiner Feldarbeit treffe ich jedes Jahr eine Vielzahl von Studenten, Freiwilligen und Amateuren, die die unterschiedlichsten Hintergründe und Identitäten repräsentieren. Und alle lieben Fossilien. Das Problem, das die Paläontologie hat, ist ein systematisches. Ich möchte damit sagen, dass es immer noch Vorurteile beim Besetzen von Stellen in Universitäten und Museen gibt. Es ist weiterhin stark limitiert, wer in Dokumentationen vorkommt, wer hochrangige Projekte zugeteilt bekommt und wer Bücher über Fossilien schreiben darf. Viele dieser begehrten Stellen werden von weißen, heterosexuellen, cisgender Männern besetzt. Diese bekommen die meiste Aufmerksamkeit, obwohl auf dem Feld, vor allem in den niedrigeren Karrierestufen und unter Amateuren, eine hohe Diversität herrscht. Das ist ein allgemeines Problem der akademischen Welt. Die Hürde für mehr Vielfalt scheint sehr hoch zu sein. Vor allem wenn Jobs in der Paläontologie vergleichsweise selten sind und häufig für viele Jahre von den selben Personen besetzt werden. Museen, Universitäten, Verlage und andere wissenschaftliche Institutionen müssen weiterhin an ihrer Diversität arbeiten, auch wenn sich diese Veränderungen derzeit, wenn auch sehr langsam, bereits anbahnen.

 

Zum Abschluss habe ich noch eine wichtige Frage an Sie, die unter Erwachsenen viel zu selten gestellt wird: Welcher ist Ihr Lieblingsdinosaurier?

Wie soll ich das bloß entscheiden? Dinosaurier sind wirklich faszinierend  ̶  umso phantastischer ist es, dass sie immer noch unter uns weilen! Wahrscheinlich ist mein Liebling der Diademhäher – ein wunderschöner Vogel mit indigoblauem Federkleid, der aussieht als hätte er eine Punk-Rock Frisur aus schwarzen Federn. Ich sehe ihn häufig auf Wanderungen hier im Westen Amerikas und ihre geschwätzigen Possen amüsieren mich jedes mal. Müsste ich mich aber für einen prähistorischen Dinosaurier entscheiden, dann wäre es wahrscheinlich der Allosaurus fragilis. Er gehört zu den klassischen Dinosauriern, die seit dem 19. Jahrhundert bekannt sind und von denen wir dutzende Skelette gefunden haben. Trotzdem ist über den Allosaurus noch sehr viel unbekannt, da er einfach nicht so berühmt ist wie der T.-Rex. Ich finde es faszinierend, dass es diese klassischen und gut bekannten Fleischfresser gibt, die im Großen und Ganzen immer noch ein Mysterium für uns sind. Diese grundlegenden Rätsel und tiefgehenden Fragen steigern meine Wertschätzung für Dinosaurier, wie für den Allosaurus, noch zusätzlich.

 

© Goldmann Verlag
Interview und Übersetzung: Sarah Bergius


Die Nutzung des Interviews oder von Auszügen daraus ist nach Rücksprache mit der Presseabteilung möglich

Mehr als 40 Verlage unter einem Dach – ein breites Themenspektrum, unzählige Titel und vielseitige Persönlichkeiten! Das Presseportal der Penguin Random House Verlagsgruppe informiert über aktuelle Themen, Neuerscheinungen, Vorschauen und Veranstaltungen und ermöglicht das komfortable Bestellen von Rezensionsexemplaren.

© Penguin Random House Verlagsgruppe