Aktuelles | 02.02.2023 | btb

»Vier Gehirnhälften schreiben besser als zwei!« Das neue Krimi-Duo Jan Jepsen und Kester Schlenz im Doppelinterview

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»Der Bojenmann« erscheint am 12. April 2023

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Der Bojenmann

Kester Schlenz, Jan Jepsen

Zum Auftakt ihrer Krimiserie um Kommissar Thies Knudsen und seinen alten Freund Andersen, Hochseekapitän und Lotse a.D., erzählen Kester Schlenz und Jan Jespen in diesem Interview, wie sie auf die Idee für die Serie gekommen sind und wie es ist, zusammen Krimis zu schreiben.

 

Kester: Wer stellt die erste Frage?

Jan: Du, hast du doch gerade.  Außerdem bist du mehr Journalist als ich …

Kester: Okay, dann mach ich mal weiter: Weißt Du noch, wie wir auf die Idee zum »Bojenmann« kamen?

Jan: Ja, ziemlich genau sogar. Wir saßen beim Mittagessen. Und sprachen wieder einmal darüber, dass es doch klasse wäre, zusammen ein Buch zu schreiben. Am besten einen Krimi, meintest du dann.

 Stimmt, und dann kamst du mit dieser irren Idee um die Ecke …

…weil ich die absolut naheliegend fand.

Buchstäblich. Du kannst ja von deiner Wohnung im Hamburg-Övelgönne diese hölzerne Menschenfigur in der Elbe sehen.

Genau, den »Bojenmann«, ein Kunstwerk des Bildhauers Stephan Balkenhol. Der ist allerdings inzwischen aus Aluminium, glaube ich. Also ähnlich haltbar wie unser Toter … oder darf ich das hier nicht spoilern?

Denke schon. Sonst müssen wir unser Werkstattgespräch  bereits beenden.

Na, gut.  Geschenkt. Ich sagte: Wie wäre es denn, Kessi, wenn der »Bojenmann« über Nacht durch eine menschliche Leiche ersetzt worden wäre. Ein echter Toter!? Keine Kunstfigur.

Ich fand das sofort irre gut für den Beginn eines Krimi-Plots. Warum steht der da? Wer hat den Mann umgebracht und dort so drapiert? Und warum?

Vom Geruch mal abgesehen, war ich mir sogar ziemlich sicher, dass das von echten Passanten gar nicht bemerkt werden würde. Aber du alter Krimifuchs hast natürlich sofort  den Finger in die Leiche gesteckt …

Sozusagen. Ein Toter hat keine Körperspannung mehr. Der »Bojenmann« aber steht da in weißem Hemd und schwarzer Hose in tadelsloser Haltung. Wie ein Gentleman.

Ich hätte mich ja mit normaler Leichenstarre zufrieden gegeben. Aber dann kamst du mit diesem seltsamen Anatomen an.

Gunther von Hagens, genau – dieser polarisierende Typ, der Leichen plastiniert und die dann in allen möglichen Posen ausstellt. Die sind starr … wie schockgefroren.

Damit war das entschieden. Um stramm zu stehen musste unser Mordopfer  also eine plastinierte Leiche sein – dem echten »Bojenmann« nachempfunden.

Das war die Ausgangssituation.  Die Keimzelle. Und dann galoppierte unsere Phantasie los. Wir erfanden einen psychisch gestörten, aber genialen Täter mit Gotteskomplex. Leicht größenwahnsinnig.

Der sich natürlich nicht mit einem Toten zufrieden gab. Zum Glück - ich fand die verschiedenen Auftritte unserer Toten mit am schönsten, also die Auffindesituationen unser Leichen, wie das im Polizeideutsch heißt.

Um die sich dann das LKA 12 - Region Altona, ebenfalls eine Erfindung von uns, kümmern musste. Mit Kommissar Thies Knudsen und seiner taffen Kollegin Dörte Eichorn. Und Thies Knudsens väterlichem Freund Oke Andersen, einem pensionierten Hafenlotsen, der eine Menge weiß, gern philosophiert und seinem Bullen-Kumpel mit Rat und Tat zur Seite steht.

Was nicht immer gut ankommt, sollte man kurz sagen, und vor allem Dörte Eichhorn nervt. Dieser Hilfssheriff … der ist sozusagen mein Nachbar bzw. Untermieter. Er wohnt jedenfalls da, wo ich wohne: im alten Lotsenhaus mit Blick auf die Elbe.

Ex-Lotse Andersen, genannt La Lotse, weil er gern Philosophen wie den alten Laotse zitiert …

Ein alter weiser, nicht nur weißer Mann.

Der keine hundert Meter vom Ufer entfernt wohnt, wo der »Bojenmann« im Wasser steht und genau wie du jeden Tag auf die Elbe guckt.

Stimmt. Was mir übrigens sehr beim Schreiben hilft. Ich sehe jeden Tag, was da auf der Elbe los ist. Das gibt immer neuen Stoff.  Außerdem verleiht einem das eine gewisse Street- und Strand-Credibility.

Tja, und dann legten wir los. Bastelten am Plot. Suchten Schauplätze und recherchierten. Hamburg gibt da ja diesbezüglich jede Menge her. Ist durch seinen Hafen geradezu ideal, für einen Stoff, der »glokal« sein sollte, also global und lokal zugleich, was uns wichtig war.

Sozusagen als ein Teil der Rezeptur für unseren Krimi, mit dem wir Hamburg als Tor zur Welt bzw. Unterwelt gerecht werden wollten.

Stichwort Alter Tschechenhafen, einem der Schauplätze ...erzähl mal.

Schreck lass nach. Ich erinnere mich an einen Rechercheausflug und ertappte mich plötzlich, Sonntagmorgen war das, dass ich regelrecht Schiss vor unserem eigenen Täter bekam, dessen geheimes Labor hier angesiedelt war. Jedenfalls hätte ich gern Polizeischutz gehabt. So drin war ich in der Materie.

Wurdest du eigentlich auch  immer wieder gefragt, wie das denn geht: zusammen einen Roman zu schreiben?

Ja, klar. Und ich hab wahrscheinlich stets das Gleiche wie du geantwortet.

Dass vier Gehirnhälften kreativer sind als zwei und das Schreiben erstaunlich gut flutschte.

Stimmt. Fast schlafwandlerisch. Nachdem wir grob den Plot festgelegt hatten, schrieb immer einer los. Die einzelnen Kapitel haben wir dann jeweils dem anderen geschickt. Jeder hat geändert und erweitert, bis wir beide zufrieden waren. Das ging wirklich erstaunlich geschmeidig.

Was nicht so selbstverständlich ist.  Zumal wir beide sehr unterschiedlich schreiben: Du bist eher der Mann fürs Horizontale, schmückst gern literarisch aus und kannst zehn Seiten darüber schreiben, wie sich zwei Leute unterhalten ...

Oder wie einer nachdenkt.

Du dagegen bist  plotgetrieben  und fragst beim Schreiben stets: Aber, was passiert denn jetzt? Wie geht es weiter? Mehr Tempo Alter!  Wie wär´s denn damit  … ? 

Wir schreiben sozusagen beide in unterschiedliche Richtungen: linear und vertikal. Und in unterschiedlichen Formaten: Du hast meine Kapitel meist angedickt und ausgebaut.

Man könnte auch von anorektischem und adipösem Schreiben sprechen.  Du hast bei mir eher Fett abgesaugt, wenn ich zu episch wurde.

Ich glaube, das nennt man komplementär.

Oder einfach Co-Autorenschafft.

Und das Schöne ist: Am Ende war das dann alles wie aus einem Guss. Ich weiß – ganz ehrlich – nicht mehr genau, wer was geschrieben hat.

Ich weiß auf jeden Fall, was mir am meisten bei dieser Art unseres literarischen pas de Deux  geholfen hat …

Sag an …

Das waren deine schonungslosen Komplimente und Antwortmails: Im Stile von Genial, Alter, Eins A, ganz großes Kino, super, das funzt usw… selbst wenn das nur zur Hälfte stimmt oder stimmen sollte, es hat auf jeden Fall geholfen, meine ewigen Selbstzweifel beim Schreiben an die Kette zu legen. Ich neige ja zum Kannibalismus… kam aber gar nicht dazu … irgendwas nicht so gut zu finden.

… und alles umzuschmeißen und neu zu schreiben. Wahrscheinlich wären wir sonst noch immer nicht mit Band 1 fertig. Aber dann kam ja noch unsere großartige Verlegerin und Lektorin Regina Kammerer. Die fand auch vieles gut. Aber längst nicht alles. Da haben wir dann doch noch nachgelegt.  Und das völlig zu Recht.

Stimmt. Aber weißt du was noch geholfen hat.

Du meinst Corona?

Genau, der erste Lockdown …  ich kam  mir fast vor wie ein Kriegsgewinnler. Mit dem Vertrag für Band Eins in Klausur zu gehen. Und gleich danach kam dieser verschärfte Stubenarrest für einen Schreiber. Keine Reise, kein Kino, kein Aus- oder Essengehen.  Das hilft beim Fokussieren. Und phantasieren.

Ging mir auch so. Und während der verschiedenen Lockdowns haben wir uns dann ja auch gleich an den zweiten Band gemacht.

Kann so weitergehen, oder?

Aber hallo! Die Bleistifte sind jedenfalls gespitzt.

Jan: Unbedingt. Wie zwei Mordwaffen …

 

 

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