Aktuelles | 01.07.2024 | btb

Vier Fragen an Florian Scheibe, Autor von »PARAISO«

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Paraiso

Florian Scheibe

»Paraiso« ist ein Beziehungs-Roman, der aus zwei Perspektiven erzählt wird. Wie sind Sie auf diese Idee gekommen?

 

»Paraiso« ist ja nicht nur ein Beziehungsroman, sondern auch ein Beziehungskrisen-Roman. Das war auch mein Ausgangspunkt für diesen speziellen Erzähl-Ansatz. In vielen Gesprächen mit befreundeten Paaren, die Schwierigkeiten in ihrer Beziehung hatten oder haben, habe ich die Erfahrung gemacht, dass man zuerst mit dem/der einen spricht und sich währenddessen sagt: Also das kann ich vollkommen verstehen, dass er/sie wütend oder enttäuscht ist! Dann spricht man mit dem/der anderen und macht genau die gleiche Erfahrung: vollstes Verständnis! Daraus folgt, dass es – gerade bei längeren Beziehungen – oft zwei Wahrheiten gibt, zwei Narrative, die beide in sich schlüssig sind. Diesen zwei Wahrheiten wollte ich mit  meinem Roman auf die Schliche kommen. Damit mir das gelingt, habe ich versucht, mich beim Schreiben auf Manon und Thomas, meine beide Hauptfiguren, voll einzulassen. Ich wollte sowohl Manon als auch Thomas in ihren/seinen Beweggründen verstehen, selbst wenn – oder gerade weil – sich die Sichtweisen teils deutlich widersprechen.

 

Der Roman spielt in einem alten, abgelegenen, ehemals verlassenen Dorf in Südspanien, das zu einem exklusiven Beziehungscoaching-Resort ausgebaut worden. Welche Rolle spielen dieser Ort und die Natur in Ihrem Roman?

Der Ort und die Natur sind in dem Roman sehr wichtig. Mich faszinieren geschlossene Systeme, in denen eigene Regeln und Gesetze herrschen: kleine, abgeschiedene Welten mitten in der großen Welt. Auf Reisen habe ich häufiger solche Orte entdeckt: halb oder ganz verlassene Dörfer, weit entfernt von anderen Ortschaften, und mir vorgestellt, wie es wäre, dort so eine gated community anzusiedeln. Ähnlich bedeutend wie der Ort ist auch die Natur in meinem Roman. Abgeschiedenheit war mir wichtig. Aber auch die Nähe zum Meer. Und der große, alte Korkeichenwald, der nichts mit den Wäldern zu tun hat, wie wir sie in Deutschland oder Mitteleuropa kennen, sondern der viel lichter ist, auf den ersten Blick vielleicht auch freundlicher, offener. Die spezielle Stimmung, die in dieser wunderschönen, aber auch sehr heißen und trockenen Landschaft herrscht, soll auch die Stimmung zwischen den Paaren prägen. Das war zumindest mein Ansatz, von dem ich hoffe, dass er sich den Leser*innen auch so vermittelt.   

  

Obwohl »Paraiso« ein klassischer Beziehungsroman ist, arbeiten Sie auch mit Spannungselementen. War das von Anfang an Teil des Konzepts oder hat es sich während des Schreibens ergeben?
 

Am Anfang des Schreibprozesses stand die Beziehung im Vordergrund. Trotzdem hatte ich schon recht früh so eine Art Suspense-Gefühl. Mehrfach habe ich gedacht, dass das Setting des Romans auch gut für einen klassischen Psychothriller passen würde. Damit war die Spannungs-Tür schon ein Stück geöffnet, und nach und nach hat sich immer mehr davon reingeschlichen. Während des Schreibens ist mir dann bewusst geworden, dass ja auch eine Beziehung immer von Spannungselementen lebt. Eigentlich von Anfang an. Sich zu verlieben ist ja letztlich nichts anderes als Suspense, auch mit ganz ähnlichen körperlichen Reaktionen. Später sind es dann die vielen Fragen, die einen in Bezug auf den anderen/die andere womöglich beschäftigen, die Unsicherheiten, die kleinen und großen Rätsel und auch die Eifersucht, die Verlustangst. All das ist Suspense. In diesem Sinne spiegeln die Spannungselemente in dem Roman auch die Gefühlswelten der Figuren wider.       

 

Da Sie sich nun ja lange Zeit mit kriselnden Beziehungen beschäftigt haben: Gibt es eine Erkenntnis, die Sie mit Ihren Leser*innen teilen können?
 

Eine gute Frage. Tatsächlich hat das Schreiben des Romans meinen Blick auf das Thema verändert, ohne dass ich behaupten würde, dass ich dadurch zu einem Beziehungskrisenexperten geworden bin. Die Erkenntnis, die sich in mir verfestigt hat, ist relativ banal, aber dadurch nicht weniger wichtig: Akzeptanz. Ich wünsche jedem Paar in der Krise die Erfahrung, die ich selbst beim Schreiben dieses Romans gemacht habe, nämlich beide Seiten zu verstehen – natürlich unter der Voraussetzung, dass es sich nicht um eine toxische oder gewaltvolle Beziehung handelt. Also die eigene Position nicht aufzugeben und zugleich zu begreifen, dass es da auch noch eine zweite Wahrheit gibt.

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