Aktuelles | 15.04.2021 | Goldmann

Tina Molin im Interview

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Wo ist eigentlich meine Libido geblieben?! Diese Frage stellen sich unzählige Frauen nach der Geburt, aber auch in langjährigen Beziehungen oder zum sogenannten Midlife um die Vierzig. Tina Molin konnte und wollte ihre Lust nicht aufgeben und hat sich auf die Reise begeben, sie wieder und neu zu entdecken.

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Cover

Frau Molin, Ihr Buch ist sehr persönlich. Nicht nur, weil es dabei um Ihre Sexualität geht, Sie geben den Leser*innen auch tiefe Einblicke in Ihr Selbst und in Ihre Beziehung. Warum haben Sie sich dafür entschieden, ihre Erfahrungen zu teilen und was sagt Ihr Mann dazu?

Damit die Leser*innen sehen, dass sie mit ihren Problemen rund um Sexualität nicht alleine sind. Keine Lust mehr nach der Geburt? Streit mit dem Partner wegen zu wenig Sex? Den Spagat zwischen Arbeitsbiene und Sexbombe nicht schaffen? Das kenne ich – und darüber erzähle ich. Denn das Gute ist: So muss es nicht bleiben. Mein Mann hat am Anfang geschluckt, als ich ihm von der Buchidee erzählt habe, doch er ist ein mutiger, offener Mann, der mich gerne unterstützt.

Für wen ist Ihr Buch?

Für Frauen, die mehr erfüllende Sexualität erleben wollen. Die aber nicht genau wissen, wo sie anfangen sollen.

Sie haben sich nach der Geburt Ihrer Tochter auf die Suche nach der eigenen Lust gemacht. Was war der Auslöser für Ihre Suche und was haben Sie gefunden?

Lustigerweise war mein Mann der Auslöser. Nach Jahren ohne Sex ging ihm die Luft aus. Ich war damals so mit unserem Kind beschäftigt, dass ich gar keinen zusätzlichen Körperkontakt wollte. Im Prinzip war ich nur noch Mutter. Doch dann habe ich mich als Frau wiederentdeckt. Verstanden, dass ich neben Mutter auch Frau, Liebhaberin, Sexbombe und Gespielin sein will. Auf der Suche nach meiner Lust, habe ich so viel mehr entdeckt. Mehr Lust, neue Spielarten von Sex, neue Arten von Orgasmen, erfüllenderen Sex – und mehr Selbstbewusstsein und Selbstliebe.

Viele Paare verlieren nach einer gewissen Zeit die Lust aufeinander – oftmals bedingt durch den Alltag, der sich im Laufe einer Beziehung automatisch stark verändert. Glauben Sie, man kann bewusst zur Lust zurückfinden? Und ist es manchmal vielleicht sogar so, dass man das gezielt wieder lernen muss?

Ich bin überzeugt, dass man zurückfinden kann. Ich habe es selbst erlebt. Doch man muss Sex eine Priorität geben. Genauso wie z. B. Sport, Meditation, gesundes Essen oder dem regelmäßigen Theaterbesuch. Sex passiert im Alltag nicht einfach so. Man darf ihn planen wie ein tolles Abendessen oder einen Konzertbesuch. Ihn im Kalender eintragen und sich ihm hingeben, selbst wenn die äußeren Umstände es verhindern wollen.

Aktuell haben Paare durch die Corona-Situation mehr gemeinsame Zeit als sonst und können sich wieder mehr aufeinander konzentrieren. Könnte das einen positiven Einfluss auf das Sexleben von Paaren haben?

Im ersten Lockdown habe ich von vielen gehört, dass sie keinen Sex haben – obwohl sie mehr Zeit miteinander verbringen. Das hat einige wachgerüttelt. Viele Frauen beschäftigen sich vermehrt mit ihrer Sexualität. Das merke ich gerade am regen Interesse an meinen Talks mit Sexpertinnen auf meinem Blog Happy Vagina. Frauen haben viele Fragen zu Sex, Solo-Sex, Weiblichkeit, Langzeitbeziehungen. Kein Sex ist für sie keine Alternative!

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Viele Menschen beschäftigen sich neben der Familie auch mehr mit persönlichen Themen, für die sie sich ansonsten zu wenig Raum nehmen. Warum lohnt es sich, sich mit der eigenen Lust auseinanderzusetzen?

Seit ein paar Jahren bemerke ich, dass sich Frauen vermehrt für ihre Lust, ihre Sexualiät und ihre Weiblichkeit interessieren. Corona hat diesen Trend nochmal befeuert. Frauen schauen über ihren Tellerrand und erforschen dieses bisherige Tabu-Thema. Warum? Ich glaube, weil sie spüren, dass ihnen ein wichtiger Teil fehlt. Das Patriachat und die Kirche haben uns die Lust abgesprochen, Weiblichkeit auf Stöckelschuhe und Makeup reduziert, uns in Hure oder Heilige getrennt. Es ist die Zeit gekommen, dass wir uns das zurückerobern: Unsere Lust, aber auch, was Weiblichkeit eigentlich bedeutet. Dafür gibt es kaum gelebte Vorbilder, daher sind wir alle – auch die Sexpertinnen, die ich kenne – auf einer Forschungsreise, um dem Yin, dem Weiblichen und der weiblichen Sexualität einen höheren Stellenwert in unserem Leben und unserer Gesellschaft zu geben.

Welche Fragen sollten wir uns als erstes stellen, wenn wir uns mit der eigenen Lust beschäftigen wollen?

100 % Ehrlichkeit hilft sehr. Habe ich überhaupt den Sex, der mich glücklich zurücklässt? Von dem ich nicht genug bekommen kann? Was fehlt mir beim Sex? Welche Seite erlaube ich mir nicht zu leben? Warum traue ich mich nicht die Wahrheit zu sagen? Ist alles okay in unserer Partnerschaft oder gibt es unausgeprochenen Groll, der zu sexueller Unlust führt?

Die wenigsten Frauen stellen die Art und Weise, wie sie Sex haben, infrage. Warum ist das so und woher kommen unsere gängigen Praktiken und Denkmuster?

Viele Frauen sind erzogen worden, nett, lieb und unkompliziert zu sein. Guter Sex erfordert aber eine Anspruchshaltung! Das Wissen darum, was einem gefällt und den Mut, das zu kommunizieren und einzufordern. Wenn mein Friseur mir die Haare nicht gut schneidet, dann spreche ich das ja auch kritisch an. Dann korrigiert er es und alle sind happy. Beim Sex dürfen wir auch lernen, den Mund aufzumachen und zu sagen, was uns stört und was wir uns wünschen.

Sie haben Tantra-Massagen ausprobiert und auch gelernt diese auszuführen, waren im Swinger Club und auf Kuschelpartys – was hat Ihre Lust am meisten gefördert und was war einfach nur skurril?

Eine Tantramassage selbst zu bekommen, war definitv ein Lust-Booster. Mit meinem Mann jedoch Tantra zu lernen und anzuwenden, hat eher zur Erheiterung geführt. Swingen habe ich mir erotischer vorgestellt, doch die Kuschelparty war ein Überraschungserfolg und definitiv ein super Anheizer.

Welche Rolle spielen Gefühle beim Sex?

Eine sehr große. Zum einen sind sie der Wegweiser zur Lust. Oder Hinweisschilder, wo es nicht lang gehen sollte. Ich kenne viele Frauen, die großartigen Sex ohne romantische Gefühle haben. Für mich ist es jedoch noch der Extra-Kick, wenn sich beim Sex mein Herz vor Liebe öffnet.

Mit der eigenen Sexualität im Reinen zu sein, hilft nicht nur beim Sex, sondern tatsächlich im alltäglichen Leben. Was hat sich bei Ihnen alles verändert, seit Sie angefangen haben, sich intensiv mit ihrer Sexualität zu
beschäftigen?

Alles. Meine Beziehung zu mir und auch die zu meinem Mann ist besser geworden. Die Streits und Aufrechnereien wurden schlagartig weniger, als wir wieder Sex hatten. Ich war auch sofort eine ausgeglicherne, entspanntere Mutter. Mein Leben ist mit Sex leichter und fröhlicher. Die sexuelle Energie ist ein Gute-Laune-Booster und wenn sie fließt, dann fließen auch Freude, Fülle und Frieden.

In ihrem Buch gehen Sie intensiv auf das Thema Selbstliebe ein. Welchen Einfluss hat Selbstliebe auf die Sexualität und umgekehrt?

Ich würde sagen, Sexualität ist einerseits ein Ausdruck von Selbstliebe und andererseits ein Raketenschub dafür. Vergesst Sauna, Yoga oder Retreats, Sex ist die allerschönste Me-Time. Egal ob Solo-Sex oder gemeinsamer Sex. Danach fühlt man sich so wohl im eigenen Körper, so verbunden, so willkommen und so wunderschön. Vorausgesetzt natürlich, der Sex war der Hammer ;)

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