Am 17. April 2024 erscheint mit »Eine grenzenlose Welt – Aufbruch«, der erste Band deiner Roman-Trilogie. Wohin nimmst Du uns mit und wen lernen wir kennen?
Ich nehme die Leser mit in das Jahr 1892. Zu Beginn sind wir noch in Hamburg, denn von da aus machen sich meine vier Protagonisten auf in die Neue Welt – so wie unzählige Menschen damals, die von einem besseren Leben träumten. Wir lernen die 17-jährige Marga Stahl kennen. Sie lebt in ärmlichen Verhältnissen mit ihrer Mutter in den Hamburger Gängevierteln. Wer historisch etwas interessiert ist, macht bei der Jahreszahl und dem Schauplatz der Handlung natürlich gleich den Brückenschlag zur Cholera-Epidemie, die die Stadt damals in Atem hielt. Die Menschen starben in diesem heißen Sommer wie die Fliegen, vor allem in den Armenvierteln. Auch Marga ist täglich in Gefahr, weil sie für sich und ihre Mutter Besorgungen und Botengänge macht. Als ihre gleichaltrige Cousine Rosie mit ihrem Stiefvater nach Hamburg kommt, weil diese aus dem Hunsrück auswandern wollen, drängt Margas Mutter ihre Tochter dazu, mit den beiden Hamburg zu verlassen, was Marga am Ende schweren Herzens tut. Auf dem Weg zum Schiff lernen sie und ihre Cousine Simon Broder kennen. Er ist aus dem Osten vor den Judenpogromen geflohen und will in Amerika nach Gold suchen, um seine Eltern schnellstmöglich nachholen zu können. Komplettiert wird das Kleeblatt dann noch durch den 15-jährigen Hafendieb Nando Keitel, dem Marga aus Mitleid in einer Notsituation hilft und den sie anschließend durch eine kleine Lüge (angeblich sei er ihr Bruder) mit aufs Schiff bringt. An Bord passiert dann etwas Tragisches, was die vier zusammenschweißt, so dass sie beschließen, in New York gemeinsam Fuß zu fassen. Natürlich kommen bei der Konstellation auch die unterschiedlichsten Gefühle auf, die für Komplikationen sorgen und die Freundschaft aller auf eine harte Probe stellen…
Die Hauptpersonen deines Romans finden in Little Germany, einem Stadtviertel in New York, in dem viele deutsche Auswanderer leben, ein neues Zuhause. Im heutigen New York fallen uns sofort Chinatown und Little Italy ein. Gibt es Little Germany heute noch?
Nein, Little Germany gibt es heute nicht mehr. Dabei hatten sich zum Ende des 18. Jahrhunderts tatsächlich so viele Deutsche rund um die Lower East Side angesiedelt, dass die Gegend wie eine deutsche Großstadt war. Nach Wien und Berlin quasi die drittgrößte deutsche Stadt damals, wenn man so will. Die Deutschen hatten, wie die anderen Auswanderer auch, ihre eigene Kultur mit ins Land gebracht. Es gab deutsche Bäckereien, Metzgereien, Bierschwemmen, Turnvereine, Zeitungen, Kirchengemeinden, eine lebendige, stetig wachsende Gemeinschaft also, in der man nicht einmal unbedingt Englisch sprechen musste. Das alles fand jedoch ein jähes Ende durch ein Schiffsunglück. Es war eines der Größten in der zivilen Schifffahrt, über das aber kaum jemand heute noch spricht, weil es in Vergessenheit geraten ist. Das Unglück geschah am 15. Juni 1904, als der Ausflugsdampfer General Slocum auf dem East River erst in Brand geriet und dann sank. Auf dem Schiff waren über 1300 Deutsche, fast alles Frauen und Kinder, die bei einem Ausflug der St. Marks Kirchengemeinde dabei waren. Über 1000 Menschen starben, fast jeder deutschstämmige New Yorker hat damals Angehörige verloren. Die Selbstmordrate schnellte nach oben, die Lower Eastside war ein stiller, trauriger Ort geworden und wer konnte, zog fort. Damit war das Ende von Little Germany eingeleitet. Als wenige Jahre später der Erste Weltkrieg ausbrach, waren die Deutschen dann ohnehin nicht mehr gut gelitten und die Slocum-Katastrophe geriet in Vergessenheit.
Stand am Anfang dieser Trilogie ein bestimmter Auslöser, ein Impuls, durch den die Idee zu diesem Plot entstanden ist?
Da ich selbst Journalistin bin, interessiere ich mich natürlich fürs Zeitungsmachen und die Geschichte der Zeitungen. Auslöser für die Idee zu »Eine grenzenlose Welt« war eine Reportage über den real damals in New York tobenden Zeitungskrieg zwischen Joseph Pulitzer und William Randolph Hearst, die ich im Fernsehen gesehen hatte. Ich hab mich dann ein bisschen in die Thematik eingelesen und fand es spannend, dass dieser Zeitungskrieg den sogenannten Yellow Press Journalism begründete, also was wir im Deutschen als Klatschpresse oder Regenbogenpresse bezeichnen, die schnelle Schlagzeile, Sex und Crime, das journalistische Fast Food sozusagen. Diesen Hintergrund wollte ich unbedingt in eine Geschichte einbauen. Und plötzlich war da die Idee, deutsche Auswanderer in diese aufregende Zeit, in diese florierende Stadt zu schicken. Was mir wichtig war beim Schreiben ist, dass ich die Leser*innen mitnehmen kann mit meiner Geschichte. Sie sollen natürlich eintauchen in die Zeitungswelt und etwas von dem mitnehmen, was ich dazu recherchiert habe. In erster Linie sollen sie aber mit meinen vier Protagonisten mitlieben, -leiden, -lachen, -leben, oder wie meine Lektorin einmal angemerkt hat: eintauchen in diese personengetriebene, spannende Handlung.
Eine wichtige Rolle in der Trilogie spielt die Zeitung Morning Herald. Hat die Zeitung ein reales Vorbild?
Es gab tatsächlich den New York Herald. Er war eine der ersten, großen Zeitungen, zeitweise sogar mal die auflagenstärkste. Sie existierte von 1835 bis 1924 und ging dann auf in der New York Tribune. Sie war aber nicht das Vorbild für meine fiktive Zeitung The Morning Herald. Diese ist vielmehr ein Konglomerat aus anderen realen Vorbildern wie dem New York Journal (Hearsts Zeitung) oder der New York World (Pulitzers). Die Schlagzeilen, die im The Morning Herald zu finden sind, sind übrigens alle real, vom Mordfall William Guldensuppe über die vermisste Hattie Waltham bis zum Blaubartkiller John Hoch. Dafür habe ich mir aus der Congress Library originale Ausgaben aus der Zeit online angesehen und »entliehen«.