Pflege während Corona - niemand denkt an die Pflegebedürftigen und ihre Angehörigen
Ein Statement von Ruth Schneeberger.
Vom Sportler bis zur Autoindustrie - trotz bereits milliardenfacher Hilfen aus der Politik überbieten sich die Antragsteller in ihren Forderungen an Staat und Gesellschaft. Was dabei völlig aus dem Blick gerät und worauf Buchautorin, und Ressortleiterin Gesundheit bei der Berliner Zeitung, Ruth Schneeberger nun aufmerksam machen möchte: Millionen alter und kranker Menschen und deren Familien haben keine Lobby und werden in einer Krisensituation, die sie mehr betrifft als alle anderen, alleine gelassen."
Im Fokus der Aufmerksamkeit von Politik und Medien stehen Diskussionen um Fußballspiele anstatt um die Menschen, deren ohnehin schwierige Versorgung in dieser Zeit an ihr absolutes Limit gerät. Denn was viele nicht wissen: "Es gibt 2,5 Mio. Pflegebedürftige in Deutschland, diese leben zu Dreiviertel nicht in Heimen, sondern zuhause, wo sie zum größten Teil nicht von osteuropäischen Pflegekräften oder ambulanten Pflegediensten, sondern vor allem von ihren Angehörigen versorgt werden. Es gibt bis zu 8 Millionen pflegende Angehörige, die aber weder unterstützt noch für ihre wichtige Arbeit bezahlt werden" weiß Ruth Schneeberger. Viele pflegende Angehörige sind schon ohne Corona im Ausnahmezustand, geben dafür ihre Berufe auf und leben von Hartz IV. Dieser Zustand ist jetzt erheblich verschärft, doch trotz allem werden sie weiterhin kaum beachtet oder thematisiert, kritisiert die Autorin. "Die Pflege zuhause wird durch Corona viel schwieriger, weil viele Hilfen gestrichen sind: Tagespflegestellen sind geschlossen, osteuropäische Pflegekräfte reisen oft aus Angst vor Ansteckung ab und ein Platz im Heim ist noch schwieriger zu bekommen als je zuvor. Abgesehen davon, dass die Heime sich zu Keimzellen des Virus entwickelt haben, wollten die meisten Pflegebedürftigen vorher schon nicht ins Heim. Jetzt haben sie- oft zu Recht - noch viel mehr Angst davor."
Ende 2019 veröffentlichte Ruth Schneeberger das Buch Mama, du bleibst bei mir! Vom Glück und Unglück einen Angehörigen zu pflegen. In diesem sehr persönlichen Buch erzählt sie, wie ihre lebenslustige, starke Mutter von einem Tag auf den anderen zum Pflegefall wird und wie sie die Entscheidung trifft, ihre Betreuung daheim zu organisieren. Es wird eine Zeit, die alle gängigen Vorstellungen widerlegt. Dass die Mutter noch zehn Jahre leben würde, hätte niemand gedacht. Erst recht nicht, wie schön diese Jahre für beide werden würden. Am allerwenigsten aber hätte Ruth Schneeberger erwartet, vor welche Hindernisse sie gestellt wird – von Behörden, Ärzten, Pflegern und der Krankenkasse.
Gerade in der jetzigen Zeit sind diese Herausforderungen für pflegende Angehörige so groß wie nie. Darauf und auf die Schicksale vieler Menschen möchte die Autorin aufmerksam machen.
Alina-Clara Hoffmann