Neuer Interview-Content von Michelle Obama
Wir freuen uns sehr, Ihnen hier für Ihre Berichterstattung ein aktuelles Kurzinterview mit Michelle Obama zu ihrem neuen Buch „Das Licht in uns. Halt finden in unsicheren Zeiten“ zur Verfügung stellen zu können.
Fünf Fragen an Michelle Obama
zum Erscheinen ihres neuen Buches „Das Licht in uns. Halt finden in unsicheren Zeiten“
(Goldmann, 2022)
Mrs. Obama, die Veröffentlichung Ihres zweiten Buches „Das Licht in uns. Halt finden in unsicheren Zeiten“ wurde nicht nur von einem unglaublichen Medienecho auf der ganzen Welt begleitet, Sie haben es auch – wie beim Erscheinen von „Becoming“ vor vier Jahren – auf einer Lesereise vorgestellt, mit bislang 13 Auftritten in sechs US-amerikanischen Großstädten. Was bedeutet dieser direkte Kontakt mit Ihren Leser*innen für Sie und welche besonderen Momente durften Sie auf dieser Reise erleben?
Wissen Sie, ich begegne Menschen am liebsten persönlich. Ich schöpfe Kraft daraus, mit anderen zusammen zu sein – deswegen bedeutet es mir unheimlich viel, wieder persönlich mit meinen Leser*innen zusammenzukommen. Dieses Gefühl war unglaublich und hat mich gleichzeitig an so viele wunderschöne Momente meiner „Becoming“-Lesereise erinnert. Nachdem wir wegen der Pandemie zwei lange Jahre eingesperrt waren, sehnen wir uns, glaube ich, alle danach, zusammen zu sein, einander zu umarmen, miteinander zu lachen. Freund*innen aus meiner Kindheit haben mich auf verschiedenen Teilen der Tour begleitet; ich habe Menschen persönlich getroffen, die mir über die Jahre Briefe geschrieben haben; und ich habe sogar vertraute Gesichter von meiner letzten Lesereise wiedergesehen! Es war einfach unglaublich und ich könnte wirklich nicht dankbarer sein.
Sie sind oft gefragt worden, ob Sie sich vorstellen könnten, ein wichtiges politisches Amt zu bekleiden. Sie haben das stets verneint, in der Überzeugung, dass die Menschen Sie außerhalb der Politik besser hören könnten. Wie ist es für Sie, nun die Beraterinnenrolle einzunehmen und Menschen in Lebensfragen beizustehen?
Nun, zu allererst sehe ich mich natürlich nicht als Therapeutin. Ich versuche mit diesem Buch lediglich, meine eigene Geschichte mit anderen Menschen zu teilen. Ich denke, dass wir alle in hohem Maße die selben Verletzlichkeiten und Gefühle durchleiden, und über die Jahre – vor allem in den letzten Jahren – habe ich oft sehr ähnliche Gespräche mit Freund*innen, Mitarbeiter*innen und Bekannten geführt. Also dachte ich, es würde helfen, mich den Menschen zu öffnen und mit ihnen die Werkzeuge und Praktiken zu teilen, die ich benutze, um durch harte Zeiten zu kommen.
Glauben Sie mir, ich habe immer noch viel zu lernen. Also versuche ich, Menschen den bestmöglichen Rat, basierend auf dem, was ich weiß, zu geben. Immer vorausgesetzt, dass mein Wissen sich ändern kann, je mehr ich begreife von der Welt und den Menschen in ihr. Denn ich kann Ihnen sagen: Jedes Mal, wenn ich glaube, einen Ansatzpunkt für mich oder die Welt gefunden zu haben, passiert irgendetwas, das mich daran erinnert, wie viel ich noch lernen muss.
In “Das Licht in uns” haben Sie sehr viele persönliche Themen geteilt und Ihre eigene Verwundbarkeit erkennen lassen. Warum ist es so wichtig, sich zu öffnen und seine eigene Geschichte zu erzählen, wenn man anderen helfen möchte?
Ich denke, es gibt viele Menschen auf dieser Welt, die sich alleine und nicht gesehen fühlen. Und ich denke, die Pandemie hat das auf vielfache Art und Weise verstärkt. So viele von uns hatten nicht nur mit der Isolation, sondern auch mit ihren Gefühlen zu kämpfen angesichts dessen, was um uns herum in der Welt vorging – der Hass und die Fremdenfeindlichkeit, der Klimawandel und so vieles mehr. Deswegen waren das Schreiben dieses Buches und das Erzählen davon, womit ich selbst zu kämpfen hatte, meine ganz eigene Art, mich mit den Menschen zu verbinden und sie wissen zu lassen, dass ich sie sehe.
Ich möchte sie wissen lassen, dass ich verstehe, wo sie herkommen und dass es in Ordnung ist, wenn man zu kämpfen hat in einer Welt voll Unsicherheit und Angst. Mir geht es so. Uns allen geht es so. Und sobald wir unsere Verletzlichkeit eingestehen und unsere Gedanken teilen, können wir uns umso leichter mit denen um uns herum verbinden. Wir erkennen, wo unsere Geschichten Gemeinsamkeiten haben. Und dann können wir zusammen einen Weg finden weiterzukommen.
Sie beschreiben in Ihrem Buch sehr eindringlich die Kraft des Kleinen. Können Sie uns in diesem Zusammenhang erklären, was Stricken mit Wählen zu tun hat und wie Sie darauf gekommen sind?
Hinter der Kraft des Kleinen steckt die Idee, dass kleine Siege uns an unsere Macht erinnern, Großes zu bewirken. Für mich ist Stricken ein kleiner Sieg. Ich stricke einen Pullover oder einen Schal und egal, wie lange ich dazu brauche – eine Stunde oder ein paar Wochen – wenn ich fertig bin, schaue ich mir das Ergebnis an und denke: Wow, das habe wirklich ich gemacht. Ich habe das mit meinen eigenen Händen geschaffen. Und, ohne es zu sehr vereinfachen zu wollen, lässt sich das sehr gut damit vergleichen, wie es ist, aktiv an einer Demokratie mitzuwirken. Indem wir wählen, erschaffen wir Schritt für Schritt die Welt, die wir sehen möchten. Mit einer Masche bekommen wir keinen Schal. Mit einer Stimme verabschieden wir kein Gesetz. Aber viele Stimmen bauen aufeinander auf. Sie bewegen etwas und bringen uns dahin, wo wir hinwollen. Man sieht die Ergebnisse nicht sofort, aber auf lange Sicht erschaffen wir etwas Starkes und Bestimmtes – etwas das für uns steht, das Ergebnis unserer besten Absichten und Bemühungen ist.
Mrs. Obama, in diesen unsicheren Zeiten schauen viele Menschen mit Spannung und Besorgnis, aber auch mit Hoffnung, auf das kommende Jahr. Haben Sie Vorsätze für das neue Jahr und Ziele, die Sie erreichen möchten?
Ich möchte weiterhin Menschen helfen, ihr eigenes Licht zu erkennen und zu verstehen, dass es in Ordnung ist, sich niedergeschlagen zu fühlen. Dass es in Ordnung ist, sich unsicher zu fühlen. Dass es in Ordnung ist, sich auf jemanden oder etwas zu stützen, um auf Kurs zu bleiben. Wir alle sind in der Lage, die Herausforderungen des Lebens zu meistern, aber wir müssen hart daran arbeiten, unser inneres Licht am Leuchten zu halten und mit aller Kraft unseren Weg zu gehen.
Und um ganz ehrlich zu sein, nach der Lesereise freue ich mich jetzt auf eine kleine Pause! Es hat so viel Spaß gemacht, aber ich liebe es, mit Barack Zeit zu Hause zu verbringen und es wird schön sein, davon im neuen Jahr ein bisschen mehr zu haben.
© Goldmann Verlag, Dezember 2022
Constanze Schwarz