Katja Marx, Jury-Vorsitzende und NDR Programmdirektorin Hörfunk: „Beide Bücher sind herausragend und sie verdienen den NDR Kultur Sachbuchpreis für zwei ganz unterschiedliche Themen, die für unsere Gesellschaft gleichermaßen bedeutsam sind. Die Jury möchte mit ihrer Entscheidung, zwei Auszeichnungen zu vergeben, das Augenmerk auf diese beiden bemerkenswerten Sachbücher richten und dafür sorgen, dass die Themen Migration und Gleichberechtigung auch im Jahr der Pandemie Aufmerksamkeit finden.“ Die Auszeichnungen sind mit jeweils 15.000 Euro dotiert.
Die in Brasilien geborene Autorin Caroline Criado-Perez lebt in London und ist international auch als feministische Aktivistin bekannt. Unter anderem startete sie eine Kampagne für Frauenabbildungen auf englischen Banknoten. Ihr Buch Unsichtbare Frauen (aus dem Englischen übersetzt von Stephanie Singh) belegt anhand zahlreicher Beispiele aus dem Alltag, dass es immer noch eine „Gender Data Gap“ gibt – eine Datenlücke, die Frauen vielfach schadet.
Publizistin und Jurymitglied Hilal Sezgin hat beim Lesen viel gelernt, weil das Buch ihren Blick geweitet hat: „Es geht um vermeintlich banale Dinge, die jedoch Frauen auf der ganzen Welt benachteiligen: etwa das Fehlen von sicheren Herden in Küchen, der mangelnde Zugang zu Toiletten, die Temperatur in Büroräumen, die Erprobung von Medikamenten vorwiegend an Männern. Das Buch von Caroline Criado-Perez enthält viele Daten und ist gleichwohl ein Pageturner.“
Der zweite Gewinner des NDR Kultur Sachbuchpreises, Andreas Kossert, ist promovierter Historiker und auf die Geschichte Ost- und Mitteleuropas spezialisiert. Flucht und Vertreibung sowie die Integration von Geflüchteten insbesondere im 20. Jahrhundert gehören zu seinen Forschungsschwerpunkten. In seinem nun ausgezeichneten Buch Flucht schildert er, was Menschen erleben und erfahren, die ihre Heimat verlassen; Kossert bewegt sich dabei nah an den einzelnen Schicksalen und behält zugleich den Blick des Wissenschaftlers.
Johann Hinrich Claussen, Jurymitglied und Kulturbeauftragter der Evangelischen Kirche in Deutschland, hat aus der Lektüre vor allem diese Erkenntnis mitgenommen: „Das Buch führt uns vor Augen, dass alle Flüchtlinge die gleichen existenziellen Situationen erleben: das Weggehen, das Unterwegssein, das Ankommen und, ganz wichtig, auch das Erinnern. Hier fügt Andreas Kossert auf eine ganz virtuose Weise Historisches und Zeitzeugenberichte, Literarisches und Poetisches zusammen – und daraus entsteht ein großes Mosaik.“
Am 24. November dürfen Caroline Criado-Perez und Andreas Kossert den Preis entgegennehmen. Nicht, wie ursprünglich geplant, bei einer Gala in Schloss Herrenhausen, aber in einer Radiosendung, ab 19 Uhr - live übertragen auf NDR Kultur.