Warum bin ich wie ich bin? Warum habe ich die gleiche Haarfarbe wie Mama, aber die gleiche Augenfarbe wie Papa? Und warum mögen Mama und ich Gesellschaftsspiele, aber Papa nicht?
In ihrem neuen Sachhörbuch "Mein wunderbares Ich" für Kinder ab 10 Jahren beantwortet TV-Moderatorin Clarissa "Clari" Corrêa da Silva all diese Fragen und erklärt, dass nicht nur unsere Gene, sondern auch unsere Umwelt beeinflussen, warum wir so sind, wie wir sind. Und auch wir selbst können unser ‚Ich‘ aktiv gestalten.
Im Studiointerview erzählt sie, was sie am Thema Epigenetik besonders interessiert und wie es für sie war im Tonstudio nur mit der Stimme zu arbeiten.
Das Interview finden Sie im Downloadbereich als Audio und Transkript. Gerne können Sie in Rücksprache mit uns Auszüge oder auch das ganze Interview für Ihre Berichterstattung zum Titel verwenden.
Von Genen und Genetik haben die meisten Menschen schon einmal gehört. Die Epigenetik ist aber noch nicht sehr bekannt. Kannst du vielleicht kurz erklären was das ist?
Die Epigenetik schlägt eigentlich eine Brücke zwischen Genetik und Epigenese, was unsere Umwelt – also alles, was nicht in unserem Körper ist – beschreibt. Das ist die ewige Diskussion in der Wissenschaft: Was ist eigentlich schon von Anfang an in uns drin, in unseren Genen, was bekommen wir vererbt und was wird uns anerzogen? Und die Epigenetik schlägt eben genau diese Brücke und sagt, dass es nicht „entweder – oder“, sondern „sowohl – als auch“ gibt.
Wie bist du zum ersten Mal mit dem Thema Epigenetik in Berührung gekommen und warum ist es für dich so spannend?
Ich bin das erste Mal durch meine Mama mit dem Thema in Berührung gekommen. Meine Mama forscht schon lange in dem Bereich, als Ärztin natürlich im medizinischen und biologischen Bereich, aber als Psychoanalytikerin setzt sie sich auch ganz viel mit Verhaltensmustern auseinander oder wie wir so ticken, was uns ausmacht, unsere Charaktere. Ich finde das wahnsinnig spannend, weil ich selbst von vielen unterschiedlichen Menschen erzogen wurde und ganz viele Einflüsse in mich hineinspielen und ich mir schon lange die Frage stelle, wer ich bin, was mich ausmacht und was ich von wem habe. Deswegen ist es eine sehr, sehr persönlich wichtige Frage, der ich schon lange nachgehe.
Was hat dich bei der Recherche für dieses (Hör)buch am meisten überrascht?
Es gab wahnsinnig viele Überraschungen, deswegen ist es immer so schwierig zu sagen, was mich am meisten überrascht hat. Was ich unfassbar faszinierend finde, ist wirklich, wie weit Erfahrungen oder Dinge, die in unserer Familie passiert sind, zurückliegen können, sodass sie in unserem Erbgut schon drin sind. Das sind Erfahrungen und Zeiten, die wir gar nicht selber erlebt haben und mit denen wir auch in keinster Weise in Berührung gekommen sind. Das finde ich irre! Ich finde es einfach irre, wenn man das durchdenkt und sagt: „Wie weit kann man zurückgehen, was kann ich alles spüren, was kann alles in mir drin sein?“ Das finde ich bis heute immer noch wahnsinnig spannend und ich hoffe, dass wir da in Zukunft noch ganz viele neue Informationen bekommen.
Du bist normalerweise eher im Fernsehen zu sehen. Wie war es für dich beim Hörbuch ohne Bilder und nur mit deiner Stimme zu arbeiten?
Das war für mich total spannend. Es macht sehr, sehr viel Spaß, weil ich finde, dass man sich nochmal ganz anders mit dem Inhalt beschäftigt, wenn man ihn wirklich nur liest und mit der Stimme auch Stimmungen kreiert und Bilder im Kopf entstehen lassen will - und das alles durch die Stimme. Mir macht das wahnsinnig Spaß. Und ich finde es total gut, weil ich endlich mit meinem Kuschelpulli hier einfach so abhängen kann. Ja, geduscht habe ich, aber theoretisch interessiert das auch keinen.
Welche Eigenschaften hast du von deinem Vater geerbt und welche von deiner Mutter?
Was habe ich von meinem Vater geerbt? Also, ich habe drei Väter in meiner Kindheit gehabt. Deswegen finde ich es auch wichtig, das [bei allen drei zu überlegen]. Durch die Epigenetik wissen wir, dass eben auch die Umwelt ganz viel Einfluss auf uns hat - wie wir so ticken und wer wir sind. Optisch bin ich total mein Vater, das ist wirklich so. Also von meinem biologischen Vater habe ich vor allem das Aussehen geerbt. Da bin ich ihm auch sehr dankbar. Von meinem Papa, der mich großgezogen hat, habe ich auf jeden Fall das Tüftlerinnen-Gen geerbt, also dieses „gerne Basteln“ und „selber was herstellen“. Das ist definitiv von ihm gekommen, weil meine Mutter zwei linke Hände hat, wie sie immer sagt. Durch meinen zweiten Stief-Papa oder Bonus-Papa – Bonus-Papa, weil er on-top ist, ich ihn noch als Bonus bekommen habe – habe ich auf jeden Fall die Faszination für Wissenschaften, vor allem Naturwissenschaften, nochmal richtig entdeckt, der ich heute auch nachgehe und die mich sehr prägt in meinem Leben und in meiner Arbeit. Von meiner Mama habe ich vor allem die kommunikative Art gelernt, aber geerbt habe ich auch so vieles. Hauptsächlich habe ich von meiner Mutter definitiv gelernt, wenn ich das auf ein Kriterium herunterbrechen würde, aus jeder Situation das Beste zu ziehen.
Das Thema Genetik ist selbst für viele Erwachsene kompliziert – wie hast du es geschafft, für Kinder verständlich davon zu erzählen?
Ob ich das geschafft habe, werden wir noch herausfinden. Ich hoffe es natürlich sehr! Es war eine große Herausforderung und ich hoffe wirklich, dass ich es geschafft habe. Ich glaube, dass es vor allem oft an Beispielen liegt. Wenn man einen komplexen Sachverhalt nimmt und dann überlegt, in was für eine witzige Situation, irgendein witziges Beispiel, irgendeine Metapher man das umlegen kann, dann werden Dinge verständlicher. Ich glaube sowieso, dass man Dinge viel einfacher lernt, wenn man Spaß hat. Deswegen habe ich mich sehr darauf konzentriert, zu sagen, was der Kern des Fakts ist und was ich für ein Beispiel geben kann, damit es für alle Zuhörenden und Lesenden klarer wird.
Was möchtest du Kindern für ihre Reise zu sich selbst mitgeben?
Ich möchte Kindern auf ihrer Reise zu sich selbst vor allem mitgeben: Seid gütig und geduldig mit euch. Ich glaube, dass das uns alle immer sehr herausfordert, sich mit uns selber zu beschäftigen. Das ist auch gut, nicht immer alles zu akzeptieren, aber ich wünsche mir sehr, dass auch viel Freude und Gestaltungslust auf dieser Reise bei den Kindern mit ihrer Identität stattfindet. Weil, so steht es auch in meinem Buch und ich finde diesen Satz ganz wichtig, unser Ich ist das, was wir immer um uns herum haben und wir können nicht einfach sagen: „Du nervst einfach, lass mich in Ruhe!“. Das geht nicht und deswegen wünsche ich mir sehr, dass wir einfach geduldig mit uns sind und dass wir auch ganz vieles an uns akzeptieren, annehmen und lieb haben.