Aktuelles | 11.12.2024 | Goldmann

Mein Leben mit Migräne: Sabrina Wolf im Interview

media:image:e5d28036-d7f2-4cee-9e85-518a06bcdc68

Sabrina Wolf hat Migräne seit ihrer Pubertät. Die Krankheit begleitet sie durch ihr Leben. 2018 hat Sabrina Wolf den ersten deutschen Migräne Podcast „Unwetter im Kopf“ gegründet und 2019 den dazugehörigen Instagram-Account @unwetterimkopf, der inzwischen einer der größten deutschsprachigen Migräne-Accounts ist. Mit ihrem neuen Buch "Unwetter im Kopf" möchte sie Betroffenen helfen, einen guten Umgang mit der chronischen Krankheit zu finden.

media:image:d5df8fd6-a2de-4fe2-ab8c-b8ee94f37a52

Deine Migräne begleitet dich schon fast dein ganzes Leben. Kannst du kurz deine eigene Migränegeschichte schildern?

Ich habe seit der Pubertät Migräneattacken und es gab immer wieder bessere und schlechtere Phasen. Eine Attacke verläuft bei mir nicht immer gleich, aber meistens habe ich starke Kopfschmerzen begleitet mit Symptomen, wie Übelkeit bis hin zu Erbrechen, Licht- und Geruchsempfindlichkeit und Geräuschempfindlichkeit. Über die Jahre haben sich teilweise auch die Attacken mit ihren Symptomen verändert, aber auch die Häufigkeit. Mit 26 hat sich die Migräne bei mir von einer episodischen in eine chronische Migräne verändert. Ich hatte teilweise bis zu 20 Migränetage pro Monat und bin auch in eine Schmerzklinik gegangen. Aktuell geht es mir deutlich besser und ich habe eine Reihe an Maßnahmen, die mir helfen – sowohl im Akutfall als auch vorbeugend.

 

In deinem Buch schreibst du, dass du für dich einen guten Weg gefunden hast, mit der Krankheit zu leben. Was hat dir konkret geholfen?

Die Migränetherapie hat mehrere Bausteine. Es sind vorbeugende Maßnahmen und Maßnahmen für den Akutfall – beides jeweils medikamentös und nicht-medikamentös. Ich habe eine für mich aktuell gut funktionierende medikamentöse Prophylaxe und dazu nicht-medikamentöse Maßnahmen, die mir vorbeugend helfen, wie z.B. Entspannungstraining, ein regelmäßiger Alltag und Sport. Das bedingt sich alles gegenseitig und hilft mir insgesamt. Der Weg dorthin war jedoch lang und ist sehr individuell. Hinzu kommt eine für mich gut wirksame Therapie im Akutfall, also wenn eine Attacke auftritt. Das ist eine Kombination aus Akutmedikamenten, aber auch oft Rückzug und/oder Abschirmung, Dunkelheit, Ruhe und ein Kühlpack als Unterstützung.

 

Migräne ist eine unheilbare Krankheit, mit den richtigen Maßnahmen ist aber ein guter Umgang mit der Krankheit möglich. Was sind für dich die wichtigsten Schritte, die jeder Mensch mit Migräne ergreifen sollte?

Es war für mich eine wichtige Erkenntnis, dass mein Gehirn etwas anders funktioniert und Reize anders verarbeitet. Aber die für mich wichtigsten Punkte sind, sich Wissen anzueignen und zur eigenen Expertin zu werden. Die Verantwortung für die eigene Erkrankung wird einem niemand abnehmen, die muss man selbst übernehmen. Das ist nicht immer leicht und oft anstrengend, aber in die Selbstwirksamkeit zu kommen, ist wichtig. Es ist auch wichtig, die richtige Ärztin bzw. den richtigen Arzt an der Seite zu haben und immer wieder für sich einzustehen. Bei mir hat es eine Weile gedauert, bis ich mir mein „medizinisches Team“ aufgebaut habe, wie ich es manchmal nenne. Außerdem kann der Austausch mit anderen Betroffenen, z.B. über Selbsthilfegruppen, sehr hilfreich und auch heilsam sein.   

 

Wie schaffst du es trotz der Krankheit mental stark zu bleiben?

Ich habe über die Jahre eine gewisse Resilienz entwickelt. Zudem habe ich die Krankheit in meinem Leben akzeptiert und meinen Lebensstil an sie angepasst. Das sehe ich nicht als Einschränkung, sondern als Selbstfürsorge. Menschen mit anderen Erkrankungen müssen ihr Leben auch anpassen. So habe ich es eben auch gemacht. Trotzdem gibt es natürlich Tage, an denen ich wütend bin und ich es unfair finde, dass ich krank bin.

 

Von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) wird Migräne als eine der am stärksten einschränkenden Krankheiten des Menschen genannt. Gleichzeitig erleben viele Betroffene, dass ihre Migräne in ihrem Umfeld bagatellisiert wird. Welchen gesellschaftlichen Umgang wünschst du dir mit der Krankheit?

Ich wünsche mir, dass Migräne endlich in ihrer Komplexität gesehen wird. Nicht alle Menschen mit Migräne erleben Attacken und ihren Alltag gleich. Da hilft es nur, mit Betroffenen zu sprechen und ihnen zuzuhören. Ich wünsche mir, dass Betroffene mit ihren individuellen Bedürfnissen von ihrem Umfeld ernst genommen werden.

 

(c) Goldmann Verlag. Das Interview ist bei gleichzeitiger Buchbesprechung zum Abdruck freigegeben.

Mehr als 40 Verlage unter einem Dach – ein breites Themenspektrum, unzählige Titel und vielseitige Persönlichkeiten! Das Presseportal der Penguin Random House Verlagsgruppe informiert über aktuelle Themen, Neuerscheinungen, Vorschauen und Veranstaltungen und ermöglicht das komfortable Bestellen von Rezensionsexemplaren.

© Penguin Random House Verlagsgruppe