Dana Grigorcea, Ihr Roman verschränkt die Geschichten zweier Künstler, die ein Jahrhundert trennt. Die Schriftstellerin Dora schreibt über den jungen Bildhauer Constantin, der in den 1920er-Jahren in New York seinen Weg als Künstler sucht und eine in der Kunstwelt Aufsehen erregende Klage gegen die Vereinigten Staaten erhebt. Wie kamen Sie auf Constantin?
Zur Figur von Constantin Avis hat mich der Bildhauer Constantin Brâncuși inspiriert. Sein Prozess gegen die amerikanische Zollbehörde darüber, was eigentlich Kunst ist und als solche frei über die Grenze geführt werden darf, hat es tatsächlich so gegeben. Ist der Vogel, Brâncușis „Vogel im Raum“, Kunst oder ein Gebrauchsgegenstand? In der beschriebenen Szene vor Gericht wird eine klare Trennlinie gezogen zwischen Kunst und Alltag, und die Kunst wird schön auf einen Sockel gesetzt.
Die in unserer Gegenwart lebende Dora reflektiert beim Schreiben über Constantin ihre eigene Situation als Künstlerin …
Ja, sie spiegelt sich in Constantin. Nur ist Dora Marcu nicht nur Schriftstellerin, sondern auch Mutter eines achtjährigen Kindes, das sie erzieht und behütet. Damit rückt für sie die Frage nach der Dringlichkeit der Weltentsagung zugunsten der Kunst weiter in den Vordergrund. Wie lebt es sich schön und gut zwischen Getriebenheit und Verantwortung?
Die Schriftstellerin Dora drängt es, „geradewegs zum Eigentlichen zu gelangen, zum Sinn der Kunst“. Ist das auch für Sie eine Motivation beim Schreiben dieses Romans gewesen?
Es hat mich gedrängt, einen unterhaltsamen Roman zu einem doch sehr ernsten Thema zu schreiben: Inwiefern lohnt sich ein Leben für die Kunst? Im Geist unserer Zeit bin ich der Frage nach dem direkten Nutzen nachgegangen. Was opfert die Künstlerin und der Künstler der Kunst, und was gibt die Kunst zurück, ihnen und der Welt? Dabei ist mir wichtig zu erzählen, wie Kunst auch Grenzüberschreitung sein kann, ein Spiel mit den Möglichkeiten. Sie kann Orte, Zeiten und Geschlechter transzendieren, einer Sehnsucht hinterher, einer Lust, einem Wahn. Dora fügt ihre Beobachtungen im Ligurien der Gegenwart in die Atmosphäre des New York der 1920er-Jahre ein, während sie als Frau und Mutter über den ungebundenen Bildhauer Constantin Avis schreibt.
Wie sind Sie beim Schreiben vorgegangen?
Genau wie meine Figuren. Befreien, was im Stein steckt, ist der Arbeitsimpetus des Bildhauers – und auch Doras Kunst ist zunächst Arbeit an der Materie, an der Sprache. Es ist ein Spiel, betrieben mit dem Ernst eines Wahns. Die beiden sind Schöpfer von Welten, doch im Alltag leben sie in peinlichen Abhängigkeiten. Wird ihnen am Ende besonders viel Liebe zuteil? Ich hoffe es!