Ihr erster Roman wurde auf Anhieb zu einem großen Erfolg. Er stand sofort nach Erscheinen auf der britischen Bestsellerliste, die Rechte wurden bereits in 12 Länder verkauft. Können Sie uns ein wenig über die Entstehungsgeschichte erzählen?
Ich habe etwa neun Jahre daran geschrieben - immer nur in kleinen Abschnitten, weil ich nebenher in Vollzeit für eine Wohltätigkeitsorganisation arbeitete und eine kleine Tochter zu versorgen hatte. Da es mein erster Roman war hatte ich - vielleicht zum Glück! – vorher keine Ahnung, wie lange man an einer Geschichte schreibt, die sich über mehrere Generationen erstreckt. Ich nutzte meine Mittagspausen und Zugfahrten zum Schreiben und war fest entschlossen, den Roman zu Ende zu bringen, selbst wenn er nie veröffentlicht würde.
Vollendet haben Sie das Buch im Lockdown…
Während der Covid-Pandemie verlor ich dann meinen Job und war sehr besorgt über meine finanzielle Situation. Ein Freund erzählte mir, dass eine Literaturagentur nach unveröffentlichten Romanen suchte. Meiner war noch nicht fertig, aber ich schickte der Agentin einen großen Teil meines Werks, und sie nahm mich sofort unter Vertrag. Daraufhin habe ich im Lockdown unter Hochdruck an der Fertigstellung des Romans gearbeitet, und Anfang 2021 wurde er an einen Verlag verkauft.
Die Geschichte spielt in einem Herrenhaus an der Küste von Dorset zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Wie ist es Ihnen gelungen, diese vergangene Welt so real und natürlich darzustellen?
Ich habe fast mein ganzes Leben lang in Dorset gelebt, Dorset ist also meine Heimat. Ich kenne die Landschaft sehr gut und habe in meiner Jugend als Reporterin bei der Lokalzeitung gearbeitet, so dass ich ziemlich viel über die Geschichte der Region weiß.
Für die Recherche zu meinem Roman habe ich außerdem viel Zeit in der Bibliothek verbracht und Memoiren von Menschen aus der Region gelesen, die den Krieg erlebt haben oder in einem Herrenhaus in Dorset aufgewachsen waren. Ich fand darin mehr persönliche Details als in richtigen Geschichtsbüchern.
Ein bisschen denkt man dabei natürlich auch an Downton Abbey, oder?
Natürlich habe ich Downton Abbey gesehen und es hat mir auch gefallen - aber meine Geschichte sollte anders sein, ich wollte sie aus der Sicht von Menschen erzählen, die nicht in die glamouröse Welt eines solchen Hauses passen.
Ihre Protagonistin Cristabel ist ein eigenwilliges und furchtloses Mädchen, das viel liest und hinterfragt, auch was ihre Rolle als Frau in der Gesellschaft angeht. Ist sie ihrer Zeit voraus?
Ich denke, Cristabel passt einfach nicht in ihre Zeit. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts mussten Mädchen höflich akzeptieren, dass sie nicht die gleichen Chancen im Leben haben würden wie die Jungen. Aber Cristabel nimmt das nicht hin, weil sie weiß, dass es ungerecht ist.
Sie ist ein Waisenkind, das sich selbst überlassen und daher weniger mit den kulturellen Werten der damaligen Zeit vertraut gemacht wurde - aber sie ist auch jemand, der auf jede Art von Ungerechtigkeit heftig reagiert. Die viktorianischen Abenteuergeschichten, die sie als Kind gelesen hat, haben ihr vermittelt, dass es wichtig ist, mutig zu sein und für sich einzustehen - und diese Lektionen hat sie gut verinnerlicht.
Eines Tages wird ein toter Wal an die Küste gespült. Cristabel findet ihn und baut aus seinen Knochen etwas Spektakuläres: ein Theater am Strand - für ihre eigenen Geschichten. Wie sind Sie auf dieses Motiv für Ihren Roman gekommen?
Es gab mehrere verschiedene Inspirationen. Ich wusste von einem Wal, der in den frühen 1900er Jahren in Dorset angespült worden war und dessen Skelett auf einem örtlichen Pier ausgestellt wurde. Ich wusste von einer unglaublichen Frau namens Rowena Cade, die ihr eigenes Theater auf einer Klippe in Cornwall gebaut hatte (es ist immer noch dort und kann besichtigt werden - es heißt The Minack Theatre).
Dann hatte ich gelesen, dass Wale, die an der englischen Küste angeschwemmt werden, von Rechts wegen dem Monarchen gehören, und wollte mir diese Tatsache zunutze machen. Und ich habe eine Live-Show der großartigen Kate Bush gesehen, bei der ihr Bühnenbild wie der Brustkorb eines Wals aussah. All diese Dinge zusammen ergaben ein Theater aus Walknochen!
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