Aktuelles | 11.03.2024 | Arkana

Jascha Renner im Interview über sein Buch »Psychedelika«

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»Psychedelika« erscheint am 22. Mai bei Arkana

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Cover

Jascha, du hast deinen Job als Software-Produktmanager gekündigt, um dich voll und ganz der Thematik der Psychedelika zu widmen. Was hat dich zu diesem drastischen beruflichen Wechsel bewogen?

Ich würde sagen, der Neuanfang kam erst nach dem Ende. Damals verließ ich meinen sicheren Job vor allem aus der Entscheidung heraus, dass ich andere Länder und Kulturen bereisen möchte. Es sollte eine Weltreise mit meiner Frau Isabel werden. Doch sofort, nachdem ich keiner regelmäßigen Arbeit mehr nachgegangen war, fing es an in mir zu rattern. Ich spürte, dass es an der Zeit war, mich selbstständig einer Sache zu widmen, mit der ich Menschen innerlich bewegen kann. Das war auch einer Erfahrung mit LSD geschuldet, bei der ich für mich herausfand, dass ich mein innerlich überlaufendes Glas mit anderen Menschen teilen möchte. Doch obwohl ich mithilfe psychedelischer Substanzen in den vorausgegangenen Jahren einen riesigen persönlichen Wandel erlebt hatte, war ich zu Beginn noch ängstlich, öffentlich mein Gesicht zu dieser kontroversen Thematik zu zeigen. Doch irgendwann siegte meine Überzeugung, dass es unbedingt notwendig sei, Menschen auf dieses Potenzial aufmerksam zu machen. Und so entstand zuerst eine aufklärende Website und wenig später ein YouTube-Kanal, auf dem ich nun doch mein Gesicht zeigte. Kurz gesagt, meine Überzeugung war groß genug, um die Angst vor Stigmatisierung und Verurteilung zu überwinden und so war daraus mein neuer beruflicher Werdegang geboren. Nicht, weil mir mein alter Beruf keinen Spaß mehr gemacht hatte, sondern einfach nur, weil es scheinbar Wichtigeres für mich zu tun gab.

 

Kannst du uns etwas genauer erklären, wie Psychedelika das Bewusstsein erweitern und die Kreativität steigern können?

Ich denke, viele Menschen sehen in Psychedelika Substanzen, die unserer Psyche etwas hinzufügen, was vorher nicht da war. Quasi ein unnatürlicher Bewusstseinszustand, der fast schon als künstlich und damit als schlecht abgestraft werden sollte. Doch die Wahrheit ist, Psychedelika erweitern nicht das Bewusstsein, oder steigern die Kreativität, sondern sie lösen die Systeme unseres Geistes auf, die im Alltag dafür sorgen, dass Kreativität und das Bewusstsein selbst nur in abgespeckter Version auf die Leinwand des Erlebens treten dürfen. Einfacher ausgedrückt bedeutet das, dass Psychedelika die Alltagsfilter reduzieren, mit denen unser Geist unsere Realität filtert. Diese Filterung ist natürlich unbedingt notwendig, damit wir nicht mit abertausenden Sinneseindrücken erschlagen werden. Dadurch können wir Gespräche führen, Auto fahren und Kaffee kochen. Doch tragen diese Filter eben auch dazu bei, dass wir uns manchmal unkreativ, blockiert, unglücklich oder sogar depressiv fühlen, denn auch ein Fischernetz fischt nicht nur Fische aus dem Wasser. Der psychedelische Rausch ist ein ganz besonderer, denn er macht besagtes Netz grobmaschiger und immer mehr Sinneseindrücke, Gedanken und Gefühle treten in dein Bewusstsein, die sich vorher irgendwo in den Untiefen deines inneren Ozeans befanden. Das Gefühl der Bewusstseinserweiterung oder Kreativitätssteigerung kommt also in gewisser Weise davon, dass mehr Information als im nüchternen Zustand Einlass gewährt wird. Hilfreich, für tiefe Introspektionen, weniger hilfreich für alltägliche Aufgaben. Und ganz und gar nicht hilfreich oder sogar schädlich, wenn sie in einem unsicheren und unwissenden Kontext eingenommen werden.

 

Wie beurteilst du den aktuellen Stand der gesellschaftlichen Akzeptanz von Psychedelika und welche Entwicklungen erwartest du für die Zukunft?

Ich denke, der aktuelle Stand der gesellschaftlichen Akzeptanz von Psychedelika passt ziemlich gut zur gesellschaftlichen Haltung gegenüber dem ehrlichen Blick nach innen. Ich meine damit, dass ich Psychedelika als ein Werkzeug sehe, um tiefer in uns hineinzublicken und die Untiefen unseres Bewusstseins zu erforschen. Fast wie ein Mikroskop oder Teleskop, nur eben für die Psyche. Doch ein wirklich tiefer Blick in unser inneres Hinterzimmer offenbart dann eben auch unschöne Aspekte des Menschseins. Sei es die fehlende Liebe in der Kindheit, das Gefühl, nicht gut genug zu sein, oder ein fehlender Anschluss an etwas Größeres als uns selbst. Unsere heutige Epidemie der Einsamkeit, Entfremdung von der natürlichen Welt und Dopamin-melkende Algorithmen sind keine Zufälle, sondern aus meiner Sicht Abwehrstrategien unseres Geistes, um besagtes Hinterzimmer möglichst lange nicht wieder begehen zu müssen. Ob wir diese Themen nun zuerst angehen, oder die Akzeptanz psychedelischer Substanzen steigern sollten, ist für mich irrelevant, da sie miteinander zusammenhängen. Und doch sehe ich, wie sich auch Psychedelika in den letzten Jahren langsam aus ihrem gesellschaftlichen Hinterzimmer herausbewegten. Bereits jetzt gibt es überall auf der Welt legale, semilegale und illegale Angebote, Psychedelika in einem geleiteten oder nicht geleiteten Rahmen für persönliches Wachstum, emotionale Heilung oder spirituelle Erkenntnis zu erfahren. Tendenz: steigend. Grund für diese Entwicklung ist sicherlich auch die psychedelische Wissenschaft, die in den letzten zwei Jahrzehnten enorm zugenommen hat. Ich vermute, dass die Welt des Privatgebrauchs und die der Forschung immer weiter zusammenwachsen werden. In den nächsten Jahren ist bereits mit der medizinischen Legalisierung von MDMA- und Psilocybin-Therapie auch in Deutschland zu rechnen und ab dann ist es für mich nur noch eine Frage der Zeit. Doch mit steigendem Interesse rückt die Frage des ›ob‹ immer weiter in den Hintergrund und es bleibt die Frage des ›wie‹. Und hier sehe ich ganz klar: Bildung und Struktur. Ja, auch System-sprengende Substanzen wie Psychedelika müssen aus meiner Sicht sauber in unser System integriert werden, wenn das irgendwie funktionieren soll.

 

Psychedelika haben nicht nur Befürworter, sondern auch Kritiker. Wie gehst du mit Bedenken oder Skepsis gegenüber dem Gebrauch von Psychedelika um?

Bedenken und Skepsis gegenüber Psychedelika sind berechtigt, genauso wie für jede andere psychoaktive Substanz dieser Welt – risikofreien Konsum gibt es nicht. Ich empfinde es deshalb als wichtig, zuzuhören, wo solche Stimmen herkommen. Also nicht nur von wem sie kommen, sondern auch aus welcher Emotion und Intention sie entstehen. Meine Erfahrung ist, dass es sich immer lohnt, hinter das zu blicken, was mir präsentiert wird. Und auch ich durfte in den letzten 10 Jahren immer wieder meine Meinung zu Psychedelika ändern. Zuerst hatte ich Angst davor und dachte, dass ich solche ›harten Drogen‹ niemals anfassen würde. Nach einer ersten hilfreichen Tuchfühlung begleitete mich dann eine Weile eine psychedelisch-rosarote Brille. Und erst danach konnte ich erkennen, dass, genauso wie Materie Antimaterie benötigt, das psychedelische Potenzial auch psychedelische Gefahren mit sich bringt. Während meiner Arbeit als psychedelischer Aufklärer, psychedelischer Begleiter und als psychedelischer Konsument konnte ich mir ein gutes Gespür für das aneignen, was Psychedelika können und nicht können, für wen sie geeignet sind und für wen auf keinen Fall und was ihr wahres Potenzial und auch ihre wahren Gefahren sind. Und alles, was ich jetzt noch tun kann, ist daraus neue Formen der Bildung und Selbsterfahrung zu kreieren, um aus meiner Erfahrung heraus die psychedelischen Erfahrungen anderer Menschen sicherer und nachhaltiger zu machen. Deshalb setze ich auch weiterhin darauf, Skepsis und Bedenken zu begegnen, um mich auf meinem Weg immer wieder inspirieren zu lassen und zu schauen, wo sich noch blinde Flecken verstecken.

 

Welche zentrale Botschaft oder Erkenntnis möchtest du den Lesern deines Buches »Psychedelika« mit auf den Weg geben?

Ich möchte Menschen dazu inspirieren, sich immer tiefer auf den Weg des persönlichen Wachstums und der emotionalen Heilung zu begeben. Doch ich muss zugeben, die eigentliche Botschaft meines Buches »Psychedelika« möchte ich den Lesern und Leserinnen nicht vorher preisgeben. Denn jemandem einfach zu sagen, was er oder sie tun müsse, um das eigene Leben zu verbessern, hilft meistens nicht weiter. Was uns verändert, sind nicht Worte, sondern Erfahrungen. Und was ich mit diesem Buch kreieren wollte, ist eben das: Eine Erfahrung, die das Potenzial hat, uns umdenken zu lassen. Doch dabei geht es nicht nur um psychedelische Substanzen und wie diese eingesetzt werden können. Psychedelika sind lediglich Überbringer einer tieferen Botschaft, doch sie eignen sich besonders gut dafür, diese Botschaft in uns selbst zu entdecken. Nur ist es leider so, dass diese Substanzen nicht auf einem Wunschkonzert auftreten. Um Psychedelika wirklich nachhaltig als Werkzeug für die Psyche einzusetzen, bedarf es ganz viel Verständnis, Hingabe und Vertrauen – für die psychedelische Erfahrung selbst, aber auch für das, wobei sie uns helfen können. Und das ist der Blick nach innen. Unsere Gefühle, Emotionen, Gedanken, unsere Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Darin stecken alle Botschaften, die wir für den nächsten Schritt in unserem Leben benötigen. Und ich hoffe, dass mein Buch Menschen auf genau dieser psychedelischen Reise zu sich selbst begleiten kann.

 

 

 

© Arkana Verlag
Interview: Sarah Bergius
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