Sie sind Autorin, Journalistin und Historikerin und haben Bücher über so unterschiedliche Persönlichkeiten wie Sophie Scholl, Nelson Mandela, Andy Warhol, Frida Kahlo und Margarete Steiff verfasst. Nun legen Sie eine Romanbiografie über Tanja Blixen vor. Was hat Sie an dieser Frau so fasziniert, dass Sie ein Buch über sie schreiben wollten?
Tanja Blixen hat in ihrem Leben viel gewonnen und dann fast alles verloren. Mit Mitte Vierzig stand sie vor dem Nichts: Krank, bankrott, einsam. Aus dieser Krise hat sie herausgefunden und sich als Schriftstellerin neu erfunden. Auch wenn sie dunkle Stunden durchlebte und oft den Gedanken hatte, aufzugeben, besaß sie doch diese ungeheure Kraft, das Leben festzuhalten. Dem wollte ich nachspüren.
Tanja Blixen ist eine Frau mit vielen, teils widersprüchlichen Facetten. Haben Sie bei Ihrer Recherche Eigenschaften entdeckt, die Sie überrascht haben?
Mir war vor der Recherche nicht klar, wie unglücklich und ziellos sie als Jugendliche gewesen ist, wie unverstanden und fehl am Platz sie sich nach dem Tod ihres Vaters vorkam. Vor diesem Hintergrund lässt sich ihr Engagement für die Farm besser verstehen.
Überraschend fand ich auch, mit wie viel Selbstbewusstsein sie ihre Karriere als Autorin von Beginn an verfolgt hat.
Warum haben Sie die Form der Romanbiographie gewählt, um das Leben von Tania Blixen zu erzählen?
In einer Romanbiographie kann ich die akribische Recherche, die ich sehr liebe, mit Phantasie verbinden. Außerdem komme ich näher an die Menschen heran, über die ich schreibe. Oberste Regel ist allerdings, dass die fiktiven Gespräche, Szenen und Gedanken plausibel sein müssen und in den Rahmen, den die Recherche vorgibt, hineinpassen. Ich erfinde keine neue Tania Blixen, sondern lasse die historische Person in meinem Buch lebendig werden.
Als Tania Blixen 1914 ihre Farm in Afrika bezog, lagen die Ländereien auf dem damaligen Gebiet des Protektorats Britisch-Ostafrika, im heutigen Kenia. Wie verhielt sich Tanja Blixen zur Kolonialherrschaft und wie gehen Sie als Autorin in Ihrem Buch mit diesem Thema um?
Tania Blixen war Teil der Kolonialgesellschaft, und sie hat davon profitiert. Aber sie war auch eine Außenseiterin. Viele haben sie belächelt und kritisierten, dass sie sich zu wenig als Herrin aufführte, zu wenig Distanz zu den Kikuyu oder Somali hielt, die für sie arbeiteten.
Deshalb wollte ich einen Weg finden, ihre besondere, menschliche Haltung sichtbar zu machen. Ich habe mit Ruth eine Gesprächspartnerin erfunden, die manche der Fragen stellt, die Leserinnen und Leser auch haben. Allerdings findet das Gespräch 1959 statt und bewegt sich im historischen Rahmen.
Dass ein Roman mit dieser Thematik von einem Sensitivity Reader gelesen wird, war für mich selbstverständlich.
„Ich hatte eine Farm in Afrika am Fuße der Ngong-Berge“, lautet der erste Satz von Tania Blixens Memoir „Jenseits von Afrika“ – eine Hommage an den Ort, an den sich die Schriftstellerin ihr Leben lang zurücksehnte. Was bedeutete Afrika für sie?
Hier hatte sie zum ersten Mal das Gefühl, am richtigen Platz zu sein. Auf der Farm hatte sie endlich eine Aufgabe, die ihr Freude machte, und sie hatte Menschen um sich, die sie mochte und bewunderte. Sie liebte die Natur, die Safaris, die herausfordernde Begegnung mit dem, was man damals „Die Wildnis“ nannte.
Was macht Tanja Blixen über ihr literarisches Werk hinaus für Sie zu einer zeitlos interessanten Persönlichkeit?
Ich mag diese spezielle Mischung aus starker Frau, Egozentrik, Warmherzigkeit und Humor. Tanja Blixens Persönlichkeit war alles andere als stringent oder leicht zu fassen. Sie war großzügig und doch auch schnell gekränkt. Immer wenn man glaubt, man hätte sie gerade verstanden, überrascht sie einen wieder mit einer neuen Seite. So hat sie die Menschen ihrer Zeit fasziniert und dieser Zauber wirkt bis heute.
© Interview: Goldmann Verlag