Haben Sie aktuelle gesellschaftliche Themen in den Handlungsverlauf eingebunden?
Tatsächlich bin ich in einem Zeitungsartikel über diese tödlichen Jugend-Challenges gestolpert. Die jungen Leute übernehmen halsbrecherische Challenges, filmen sich dabei und stellen das dann auf ihre Social-Media-Kanäle. Für ein bisschen mehr an Aufmerksamkeit. Ich finde das sehr erschreckend. Das Thema spielt in meinem Buch eine größere Rolle. Bei meinem Opfer, Julian, war es aber Mittel zum Zweck. Seine Sehnsucht war romantischer, philosophischer.
Wie haben Sie für Ihren Krimi recherchiert, um einen möglichst realistischen Fall zu schildern?
Ich glaube, es gibt nichts, was ich nicht recherchiert habe. Das beginnt bei der chemischen Zusammensetzung von Reinigungsmitteln, über die Eigentumsverhältnisse bestimmter Social-Media-Plattformen, bei der Größe, Farbe und Durchmesser von Patronenhülsen bis hin natürlich zu den Gesprächen mit der Polizei und der Gerichtsmedizin. Nichts ist für mich wichtiger, als realistische Leichen mit den richtigen Verletzungen darzustellen und daraus die richtigen Schlussfolgerungen zu ziehen. Ich habe viel zum Thema Gifte und deren Nachweisbarkeit recherchiert und mit mehreren Fachärzten gesprochen. Ich musste ja wissen, ob es möglich ist, dass mein Opfer über Tage halbwegs sediert in der Gewalt des Täters sein kann. Zu den Challenges habe ich vor allem mit diversen Jugendlichen gesprochen, und auch mit jemandem bei der Kriminalpolizei zum Thema Cyber-Kriminalität. Ich war auch in Waffengeschäften, und bin wirklich das ganze Wendland mit dem Fahrrad abgefahren.
Wie Sie es schon sagten, sind die Protagonisten Ihres Krimis zu einem großen Teil Jugendliche. Fiel es Ihnen schwer, diese jungen Charaktere zu entwickeln?
Hier hat mir wirklich meine Tochter, jetzt 19, sehr geholfen. Und mein jüngster Neffe, Mitte zwanzig. Mich in deren Sprache und deren Hedonismus einzuarbeiten, fiel mir nicht so leicht. Das ist einfach schon sehr weit von mir entfernt.
Als Schreib-Coach sind Sie Expertin für verschiedene literarische Genres. Welche besonderen Herausforderungen gilt es für die Konzeption eines Krimis zu beachten?
Ich kenne einen Autor, der einfach drauflos schreibt – ganz intuitiv. Er ist Bestsellerautor, wohlgemerkt. Das wäre für mich unvorstellbar. Ich habe zeitweise zwei Whiteboards mit selbstklebenden Post-its an den Wänden, ein Notizbuch mit aktuellen To-dos und eine Tagesliste. Krimi-Leser sind sehr kritisch und merken ALLES – du darfst also wirklich kein loses Ende irgendwo lassen oder eine Spur legen, egal wie winzig, und sie dann nicht auflösen. Das ist in meinen Augen die größte Herausforderung beim Schreiben eines Krimis: Die falschen Fährten oder auch Sub-Plots klug zu konstruieren und sie dann unvermutet und doch nicht plump aufzulösen.
Dürfen Ihre Leserinnen und Leser auf eine Fortsetzung hoffen?
Nicht nur hoffen – ich schreibe gerade an Band 2.
März, 2024. Die Fragen stellte Julia Meyn. Gerne dürfen Sie (nach Absprache) das Interview oder Teile daraus entnehmen und veröffentlichen.