Interview mit Nono Konopka zu "Lektionen für ein richtig gutes Leben"
"Ich denke, dass es wichtig ist, viel auszuprobieren und Dinge zu tun, die man noch nie getan hat, um dadurch Neues über sich selbst zu lernen, das man vielleicht noch nicht gewusst hat."
Nono Konopka
Nono, du bist zusammen mit deinem besten Freund Max völlig untrainiert 15.000 Kilometer von Berlin nach Peking geradelt, um auf diesem Weg Geld für einen Schulbau in Guatemala zu sammeln. Wie kommt man mit Anfang 20 auf so eine Idee?
Wir beide waren im Rahmen unseres Studiums im Ausland - ich habe ein dreiviertel Jahr in Mexiko und Guatemala verbracht. Die Zeit dort hat mich insofern tief beeinflusst, als dass ich realisiert habe, wie privilegiert ich bin, wie selbstverständlich es ist, zur Schule und Uni gehen zu dürfen. Deswegen habe ich dort den Entschluss gefasst, die Dörfer in Guatemala irgendwie mit den mir zur Verfügung stehenden Mitteln zu unterstützen.
Zurück im letzten Semester habe ich mich dann gegen einen Job in einem internationalen Konzern entschieden, um stattdessen diese Reise zu machen. Ich hatte von einer Hilfsorganisation gelesen, die in genau diesen Gebieten in Guatemala aktiv ist und für die man mit verrückten Aktionen Spenden sammeln kann. Als ich dann mit Max zufällig ein YouTube-Video über eine Fahrradreise geschaut habe, kam uns die Idee eben dies für den Bau einer Schule in Guatemala zu tun.
Wann kam nach der anfänglichen Euphorie zum ersten Mal die Angst vor der eigenen Courage?
Für mich war vor allem die Zeit vor der eigentlichen Abreise schwierig. Viele Leute haben versucht uns zu überzeugen, die Reise lieber sein zu lassen, darunter auch enge Freunde. Das hat große Selbstzweifel ausgelöst. Am Abend vor der Abfahrt hatte ich sehr gemischte Gefühle. Von Vorfreude, bis Angst, Aufregung und Selbstzweifel war alles dabei.
Neben vielen tollen Momenten auf der Reise gab es auch schwierige Situationen, wie z.B. in Bosnien. Was ist dort passiert und wie denkst du heute darüber?
Am Abend hat ein Braunbär unser Zelt am Waldrand neben der Straße gefunden und hat sich direkt vor dem Eingang durch unsere Essensvorräte gewühlt. Danach hat er das Zelt beschnüffelt, es ein paar Mal umkreist, und ist dann im Dunkeln verschwunden. Wir waren ziemlich geschockt und sind erst nach ein paar Minuten nur mit unseren Schlafsäcken über den Schultern zur Straße gerannt, wo wir die Nacht über gewartet haben, bis wir am Morgen zurück zu unserem Zelt gegangen sind.
Rückblickend hat diese mit Abstand gefährlichste Situation der gesamten Reise bei mir dazu geführt, dass ich nun noch viel eher Risiken eingehe und neue Dinge probiere. In meinem Kopf ist immer, dass ich bereits einen solche Fehler gemacht hatte, dass ich einen wilden Bären vor dem Zelt hatte, und trotzdem immer noch hier bin. „Was soll im Vergleich dazu also schon passieren, wenn ich zu Hause mal meine Komfortzone verlasse und etwas neues wage?“
Kommt nach so einem Erlebnis nicht die Frage auf, ob man die Reise nicht doch lieber abbrechen sollte?
Wir sind bei -28 Grad Celsius auf über 2000 Meter Höhe durch die Hochgebirge der Türkei gefahren. Oben am Berg angekommen, mussten wir unsere Räder durch einen kilometerlangen Tunnel ohne Seitenstreifen und Beleuchtung schieben. Das war für mich der herausforderndste Moment der gesamten Reise und in meinem Kopf kam immer wieder die Frage auf: „Warum tue ich mir das an?“
Gerade in solchen Situationen hat es mir sehr geholfen, dass wir mit dem Ziel eine Schule zu bauen der Reise einen Sinn gegeben hatten. Wir haben dann in schwierigen Zeiten wie zum Beispiel beim Fahren durch den Winter immer sehr viele motivierende Nachrichten von Menschen aus aller Welt bekommen.
Wie hast du dich gefühlt, als du nach deiner Reise zusammen mit Max die Schule in Guatemala eröffnen durftest, die ihr durch die Reise finanziert habt? Gibt es einem Moment, der dir dabei besonders in Erinnerung geblieben ist?
Die Eröffnung der Schule in Guatemala war definitiv einer der schönsten und emotionalsten Momente meines Lebens. Vorher war es oft schwer greifbar für mich, wofür ich gerade eigentlich in die Pedale trete, aber als ich dort vor Ort die vielen Kinder gesehen habe, wurde es sehr deutlich.
Besonders in Erinnerung geblieben ist mir die „Tradition der Träume“, die wir begleiten durften. Hierfür haben alle Kinder aufgemalt was sie träumen einmal zu werden und diese Bilder wurden dann in eine große Holzkiste gepackt. Wir haben den Kindern dabei geholfen, dann gemeinsam ein Loch gebuddelt, und die Kiste dort vergraben, wo am nächsten Tag das Fundament für die neue Schule gebaut wurde.
In deinem Buch verbindest du die Erkenntnisse deiner Reise mit 12 Lektionen, die zu einem „richtig guten Leben“ beitragen. Sind all diese Erkenntnisse in deinen Augen gleich wichtig, oder erachtest du eine als ganz besonders wichtig?
An den beiden Schulen in Guatemala hängt jeweils ein Schild mit einer Widmung auf der steht: „Denjenigen gewidmet, die sich für ihre Träume anstatt für ihre Komfortzone entscheiden.“ Das ist für mich die wichtigste Lektion, wenn man über ein richtig gutes Leben spricht. Denn wer dies haben möchte, wird sich kontinuierlich weiterentwickeln und wachsen müssen, und das wiederum bedeutet Dinge zu tun, die nicht nur komfortabel sind.
Was rätst du Menschen, die in einer ähnlichen Situation feststecken wie du vor deinem Aufbruch, aber nicht die Möglichkeiten haben, sich eine Auszeit zu nehmen oder eine Reise zu machen. Was können sie im Alltag tun?
Ich glaube in keinem Fall, dass man eine Reise machen muss, um herauszufinden was man eigentlich machen will und wohin der eigene Weg gehen soll. All die einzelnen Lektionen, die ich von der Reise mitgebracht habe, lassen sich im Alltag ebenso gut anwenden. Ich denke, dass es wichtig ist, viel auszuprobieren und Dinge zu tun, die man noch nie getan hat, um dadurch Sachen über einen selbst zu lernen, die man noch nicht gewusst hat. Das können kleine Sachen sein wie eine neue Sportart ausprobieren oder auch große Sachen wie eben mit dem Fahrrad, um die Welt zu fahren.
Und die allerletzte Frage: Wer sollte dein Buch unbedingt lesen?
Jeder Mensch, der sich danach sehnt, ein Leben nach den eigenen Vorstellungen zu leben oder der manchmal so ein schwer zu erklärendes Gefühl hat, dass das doch noch nicht alles sein kann. Ich denke, es hilft vor allem Leuten, die viel Veränderung durchleben oder in eine neue Lebensphase übertreten (wie zum Beispiel eben Studienabsolventen) dabei motiviert und inspiriert zu werden, selbst herauszufinden was sie machen wollen, worin sie gut sind, und was sie glücklich machen würde.
(c) Kailash Verlag (Abdruck nur nach Rücksprache mit dem Verlag)
Mi Yong Neumann