Aktuelles | 03.03.2021 | Goldmann

Interview mit Katharina Schickling über "Die 100 besten Eco Hacks"

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Mit ihrem neuen Buch richtet sich Katharina Schickling an alle, die möglichst einfach zu einem nachhaltigen und ökologisch sinnvollen Konsum kommen wollen.

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Ihr Buch „Der Konsumkompass“ ist im April 2020 erschienen. Darin klären Sie Fragen und Hintergründe zum nachhaltigen Verbraucherverhalten und geben Tipps, wie man möglichst CO2-sparsam lebt. Was ist das Neue an dem jetzt erscheinenden Buch „Die 100 besten Eco Hacks“?

Das neue Buch richtet sich an alle, die möglichst einfach zu einem nachhaltigen und ökologisch sinnvollen Konsum kommen wollen, ohne dabei allzu tief in wissenschaftliche Studien einzusteigen – oder sich mit der komplexen Errechnung von CO2-Bilanzen zu befassen. Die „Eco Hacks“ liefern ganz konkrete alltagsnahe Tipps. Und wer es genauer wissen will, für den gibt’s den „Konsumkompass“.

Wie haben Sie bei der Erstellung Ihrer Liste priorisiert? Welcher Hack kommt warum als erstes, welcher warum zuletzt?

Bis zu einem gewissen Grad ist die Reihenfolge Zufall – wobei der Apfel aus Übersee tatsächlich eines der ersten Themen war, die ich für den Konsumkompass einst recherchiert hatte. Aber Lebensmittel stehen auch deshalb am Anfang, weil da der Griff zu nachhaltig erzeugter Ware am einfachsten gelingt, wenn man konsequent auf regionale, saisonale Bio-Ware setzt. Weihnachten und das Feuerwerk stehen am Ende, weil diese Anlässe ja auch unser Jahr beschließen – und zugleich als besonders konsumstarke Zeit wichtige Ansatzpunkte auf der Suche nach einem umweltverträglicheren Lebensstil bieten.

Und welche fünf Eco Hacks sind Ihre Favoriten?

Ich tue mich schwer, fünf auszusuchen. Aber ganz generell gefällt mir alles gut, wo Gegenstände ein neues Leben bekommen: abgelegte Kleider, die vielleicht eine Freundin glücklich machen, ausgelesene Bücher, die im öffentlichen Bücherschrank einen neuen Besitzer finden. Und die Vermeidung von Lebensmittelverschwendung ist mir ein besonderes Anliegen!

Was wäre – nach Ihrer Einschätzung – das Mindeste, was jeder „normale“ Bürger in Sachen Nachhaltigkeit für unseren Planeten tun könnte? Welche Eco-Hacks hätten mit dem geringsten Aufwand den stärksten Effekt?

Nicht fliegen. Oder zumindest Flüge, auf die man gar nicht verzichten mag, großzügig kompensieren.

Hand aufs Herz: Welche Umweltsünden begehen Sie wider besseren Wissens und wie leisten Sie Kompensation? Kann man eine gute Umweltbilanz und Lebensfreude also wirklich unter einen Hut bringen?

Fliegen. Ich reise nicht nur beruflich viel, wo ich Flüge manchmal aus Zeitgründen nicht vermeiden kann, sondern auch privat, mal abgesehen von den aktuellen Corona-Beschränkungen. Das gleiche ich aus, indem ich den beim Atmosfair-Rechner empfohlenen Betrag verdreifache.Ich glaube, wir dürfen nicht zu streng mit uns sein: Verglichen mit großen Industrieunternehmen sind wir eher kleine Sünder, und natürlich ist auch Freude ein Wert, der in die persönliche Bilanz einfließen dürfen muss.

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Warum wissen wir „Bildungsbürger“ eigentlich so wenig über die Zusammenhänge im Umweltbereich? Warum sind wir so unaufgeklärt? Von Natur aus ist der Mensch ja erstmal neugierig. Und unsere Zivilisation hätte es nicht so weit gebracht, wenn wir nicht grundsätzlich an Innovationen interessiert wären.

Ich glaube, dass Wachstum und Fortschritt so lange mit einem „Mehr“ an Konsum und Technik gleichgesetzt waren, dass wir da einfach erstmal umgepolt werden müssen. Gerade was unser Konsumverhalten angeht, müssen wir an vielen Stellen zurück zu den Gewohnheiten unserer Vorfahren. Das ist für uns fortschrittsgläubige Erdbewohner erst mal gewöhnungsbedürftig, dass gerade darin plötzlich der Fortschritt liegen soll.

Wir tun uns teilweise schwer damit, den Klimawandel als gegeben zu akzeptieren und unsere Lebensgewohnheiten umzustellen. Woran liegt das? Was könnte helfen, damit wir die Erkenntnisse der Wissenschaft endlich ernst nehmen? Es reicht ja nicht, dass eine informierte Bubble keine SUVs mehr fährt und das Fliegen einstellt, die Weltbevölkerung muss umdenken.

Nun ja, vorrangig müssen wir Bewohner der entwickelten Welt umdenken, wir sind es ja, die so überproportional Ressourcen verbrauchen. Man darf auch nicht vergessen, mit welcher propagandistischen Wucht etwa die Energieerzeuger, aber auch Teile der Industrie und Politik über Jahrzehnte den Klimawandel geleugnet haben. Ich glaube, dass inzwischen die meisten begriffen haben, dass wir in unserer Lebensweise etwas verändern müssen. Jetzt braucht es ein einfaches Instrumentarium für uns Verbraucher:innen, etwa eine CO2-Bilanz auf jedem Produkt, damit wir auch mündige Entscheidungen im Laden treffen können.

Sie schreiben, unsere gesamte Gesellschaft habe die Folgekosten für nicht-nachhaltiges Leben zu zahlen. Wie ist das zu verstehen?

Beispielsweise führt die konventionelle Tierhaltung zu einer massiven Nitratbelastung – das macht das Trinkwasser teurer, für alle, auch für die Vegetarier. Unter der Umweltbelastung durch den städtischen Autoverkehr leiden auch die Fahrradfahrer, und die Kosten der Beseitigung von Umweltschäden durch Abgase tragen über die Steuern alle, nicht nur die Autonutzer. Der Unterhalt eines Parkplatzes am Straßenrand kostet die Kommune viel Geld, das Geld aller Bürger. Diese Liste lässt sich beliebig fortsetzen.

Nachhaltiger Lebensstil scheint aber nicht für alle finanzierbar zu sein. Den Einkauf im Bioladen kann sich z. B. nicht jeder leisten. Welche Maßnahmen könnten Abhilfe schaffen?

Biolebensmittel sind ein gutes Beispiel: Ich bin ein großer Fan des Verursacherprinzips. Wären etwa die Kosten, die durch die Nitratbelastung durch Gülle entstehen, ins konventionelle Fleisch eingepreist, wäre der Preisunterschied zu Bio gar nicht mehr so groß. Streng genommen müsste „Bio“ der Normalfall sein. Dass wir Erzeugern staatlich erlauben, Raubbau an Natur und Tiergesundheit zu betreiben, ist ja kein ehernes Gesetz.

Sie schreiben auch, mit unserem Einkaufsverhalten hätten wir viel mehr Einfluss als uns bewusst ist. Was genau meinen Sie damit?

Gerade Lebensmittelkonzerne, aber auch andere Branchen, beobachten sehr genau, was die Kundschaft will. Je genauer und lauter wir durch unser Einkaufsverhalten, aber auch durch gezielte Nachfragen bei Herstellern, deutlich machen, welche Art Ware wir wollen, desto mehr wird davon auch produziert. Man konnte das gut sehen, als die Kennzeichnungsregeln für lose verkaufte Eier eingeführt wurden. Praktisch sofort verschwanden Käfigeier aus dem Handel. Weil keiner sie mehr gekauft hat. Und immer mehr Hersteller etwa von Nudeln geben freiwillig auf der Packung an, wenn sie Freilandeier verwenden – weil die Kundschaft das nachfragt.

Kommen wir evtl. trotzdem nur über Verbote und höhere Kosten dahin, dass die Menschen Ihr Leben umweltfreundlich gestalten? Dass viele Raucher zu Ex-Rauchern wurden, lag ja auch vorwiegend daran, dass die Zigaretten zu teuer und Ekel-Bilder auf die Verpackungen gedruckt wurden und keiner Lust hatte, bei Regen vor der Kneipe mit der Kippe im Mundwinkel zu erfrieren. Auch die Raucher-Aquarien an Flughäfen empfinden viele als Demütigung.

Ich glaube, bei den Rauchern waren es nicht die Fotos, sondern eher die Kosten. Das ist aus meiner Sicht der richtige Hebel. Umweltfreundliches Verhalten muss günstiger sein, als der Raubbau am Planeten. Deshalb müsste aus meiner Sicht Zug und U-Bahn fahren viel billiger, und Benzin und Fliegen im Gegenzug viel teurer sein. Im Moment ist es leider eher umgekehrt. In München etwa ist der Preis fürs Anwohnerparken seit fast 20 Jahren stabil, gleichzeitig sind die Kosten für den öffentlichen Personennahverkehr über 15 Prozent gestiegen. Wenn umweltfreundliches Verhalten auch noch bestraft statt belohnt wird, kann der Wandel nicht funktionieren.

Oft hat man das Gefühl, dass sinnvolle Neuerungen – z. B. auf dem Automobil-Sektor – an den dazugehörigen Lobbys scheitern. Wie kann sich der „einfache Bürger“ dagegen wehren, dass sich viele Politiker eher der Wirtschaft als dem gesunden Menschenverstand und notwendigen Öko-Aspekten verpflichtet fühlen?

Ganz einfach: Andere Politiker wählen!

Das sogenannte „Green Washing“ ist derzeit Trend. Wie könnte man diese Bewegung aufhalten und wie lassen sich Falsch-Behauptungen von Unternehmen in Einzelfällen aufdecken? Was kann der Verbraucher tun?

Das ist ein großes Problem. Und die Politik lässt uns da leider ziemlich im Regen stehen. Wer weiß schon, dass es etwa bei Biokosmetik keine festen Regeln gibt? Oder das „Meeresplastik“ nicht zwingend aus dem Meer oder wenigstens vom Strand stammen muss, sondern auch Plastik sein kann, dass theoretisch irgendwann im Meer hätte landen können. Leider gibt es im Umweltbereich kaum gesetzlich geschützte Begriffe. Und selbst da, wo es Normen gibt, führen sie in die Irre. So ist „kompostierbares“ Plastik zwar gemäß einer EU-Norm in bestimmten Anlagen verrottbar, diese Anlagen existieren aber in ganz Europa praktisch nicht. Da hilft nur sehr genau hinschauen. Und natürlich in den Eco-Hacks nachschlagen.

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Sie schreiben, die Zeit des Corona-Shutdowns hätte Ihnen aufgezeigt, auf was Sie alles verzichten können, ohne dass Ihr Leben wirklich „schlechter“ wird. Wollen Sie uns verraten, was das beispielsweise ist?

Ich würde das gerne etwas anders formulieren: Wir können auf Dinge verzichten, wenn das Ziel, das wir dadurch erreichen wollen, groß genug ist. Natürlich fehlen mir Restaurantbesuche und Konzerte. Aber wenn ich dadurch Menschenleben rette, kann ich das. Also kann ich auch weniger fliegen und bewusster einkaufen, wenn ich dadurch die Zukunft menschlichen Lebens auf der Erde retten kann, oder? Denn genau um dieses noch viel größere Ziel, als bei Corona, geht es. Jetzt. Nicht erst in ein paar Jahrhunderten.

Viele Menschen möchten sich während der Corona-Pandemie auch bei niedrigen Temperaturen draußen treffen. Sind Heizpilze zu rechtfertigen, wenn sie das soziale Leben aufrecht halten?

Ich würde meinen ja – da sind wir wieder beim Thema, dass Glück und Spaß auch wichtige Werte sind.

Seit Corona meiden viele die öffentlichen Verkehrsmittel und fahren lieber wieder alleine im Auto, um sich vor dem Virus zu schützen. Die Bestell-Kartons stapeln sich an den Papier-Containern und zusätzlich überschwemmen gebrauchte Atemschutzmasken unseren Planeten. Wie könnte man das am besten kompensieren und verhindern, dass diese zusätzliche Umweltbelastung zur neuen Normalität wird?

Das macht mir auch große Sorgen, und das darf keinesfalls das neue Normal werden. Irgendwann wird diese Pandemie vorbei sein, und dann gelten in Sachen Verkehr wieder die Regeln von vorher: Individualverkehr ist da immer schlechter, als das öffentliche Transportwesen. Was wir auf die Schnelle tun können: Nicht so viel online bestellen, lieber Waren telefonisch oder im Netz bei Händlern in der Nähe ordern und abholen. Das löst zumindest schon mal das Problem mit der Verpackungsflut. Und rettet den lokalen Einzelhandel.

Hat Corona das Thema Klimaschutz aus den Medien und den Köpfen der Menschen verdrängt? Oder hat Corona den Klimaschutz doch auch begünstigt? Flüge fallen aus, das Meer erholt sich, der „Earth Overshoot Day wurde um circa drei Monate nach hinten verschoben etc. Wäre es nicht sinnvoll, wenn der Pandemie bedingte Ausnahmezustand der Umwelt zuliebe in vielen Bereichen zum Normalzustand würde? Falls Sie dem zustimmen: Wie kann sich jeder Einzelne dafür einsetzen?

Ich hoffe, dass wir ein paar Dinge in die Nach-Pandemie-Zeit mitnehmen: Weniger Dienstreisen für nur ein Meeting, mehr Homeoffice, gestaffelte Schulzeiten, um die Verkehrsstoßzeiten zu entlasten – alles schon mal gut. Und was die privaten Reisen angeht: Auch da sind wir – hoffentlich – künftig etwas bewusster unterwegs. Sich eine tolle, weite Reise gönnen ist ok. Aber fünf Wochenendtrips mit dem Flieger eher nicht.

Vielen Dank für das Gespräch!

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