Interview mit Johanna Laurin
Ihr mitreißender Debütroman »Die Bucht der Lupinen« (ET: 10. Mai 2021) spielt vor der atemberaubenden Naturkulisse von Neufundland
In »Die Bucht der Lupinen« entführt uns Johanna Laurin in die wilde Landschaft an der rauen Küste Neufundlands. Im Interview erzählt die Autorin von ihrem Debüt, von komplizierten Familiengeschichten und von einer tragischen Liebe.
In Ihrem Roman »Die Bucht der Lupinen« reist die Protagonistin Anna nach Neufundland, um nach dem Tod ihrer Großmutter gemeinsam mit ihren Schwestern und ihrer Mutter die Trauerfeier vorzubereiten und ihr Haus in Seaborough auf Vordermann zu bringen. Wie kamen Sie auf den Schauplatz Neufundland? Waren Sie schon mal dort?
Mich faszinieren Länder und Regionen, in denen die gewaltige Natur alles bestimmt. Neufundland hat mich schon immer begeistert: das stürmische Meer, die Eisberge, die wilde Landschaft, die rauen Klippen. Da merkt man als Mensch, wie klein man eigentlich ist. Ich komme ja aus Norddeutschland und mag es, lange Spaziergänge am Strand zu machen und vom Wind „durchgepustet“ zu werden. Man bekommt den Kopf frei und kann sich hervorragend entspannen. Ein Schauplatz wie Neufundland eignet sich perfekt für die Geschichte, da Anna dort ihr Leben wieder neu ordnen kann. Und ihr Leben wird von einem gewissen jungen Mann regelrecht „durchgepustet“… Im idyllisch gelegenen Haus am Meer, überlegt Anna, was sie aus ihrem Leben machen will.
Findet man auf Reisen, in komplett neuen Umgebungen und an außergewöhnlichen Orten, eher zu sich selbst und zu seiner eigenen Bestimmung?
Ich glaube, dass eine neue Umgebung einem dabei helfen kann, Abstand von den alltäglichen Sorgen und Problemen zu bekommen und sich wieder auf das zu besinnen, was einem wichtig ist im Leben, auf was es wirklich ankommt. Manchmal braucht man einfach einen Ortswechsel, um wieder zu sich zu kommen, gerade wenn alles im Leben festgefahren erscheint. Man sieht andere Dinge, trifft andere Menschen, erlebt Unbekanntes und bekommt einen neuen Blick auf die Dinge. Gerade in unserem hektischen Alltag braucht man das, um sich selbst wieder zu finden. An welche Orte möchten Sie unbedingt noch reisen? Mein Mann und ich haben vor einiger Zeit eine lange Tour mit dem Wohnmobil durch Schottland gemacht, das war eine tolle Erfahrung, und wir würden eine solche Tour gern in Skandinavien, Kanada oder auf Island wiederholen. Ein alter Liebesbrief stößt Anna auf ein Geheimnis, das lange zurückliegt und das ihren Blick auf ihre Familie radikal verändert.
Warum eignen sich (komplizierte) Familienkonstellationen so gut für einen interessanten Romanplot?
Die Beziehung zu den Eltern und Geschwistern prägt einen fürs Leben und die eigene Herkunft spielt für die eigene Entwicklung und das ganze Leben meiner Meinung nach eine entscheidende Rolle. In jeder Familie gibt es unterschiedliche Charaktere, also kann nicht nur Harmonie herrschen. Interessant für einen Romanplot ist, wie mit solchen Konflikten umgegangen wird. Werden Streitigkeiten offen ausgetragen oder eher heruntergeschluckt, werden Probleme diskutiert oder bleibt man damit allein, hält man in jeder Krise zusammen oder geht jeder seinen eigenen Weg. Fest steht, dass in jeder Familie gestritten, gelacht und geweint wird, und dass es in jeder Familie Geheimnisse gibt, kleine und manchmal – wie in Annas Fall – auch sehr große. Diese Geheimnisse und die Konflikte, die es innerhalb von Familien gibt, sind es, die Familienkonstellationen für einen Roman so spannend machen. Auf einer zweiten Zeitebene geht es um eine tragische Liebe in der Zeit des Nationalsozialismus.
Was fasziniert Sie an vergangenen Zeiten und was hat Sie dazu bewegt über dieses spezielle Kapitel deutscher Geschichte zu schreiben?
Vergangene Zeiten und historische Zusammenhänge haben mich schon immer interessiert. Spannend fand ich gerade die Erzählungen von persönlichen Erlebnissen von Eltern und Großeltern. Als junger Mensch, der in vergleichsweise ruhigen Zeiten aufwächst, ist eine Zeit wie die des Nationalsozialismus kaum vorstellbar. Sich in einem Roman mit dieser Zeit der deutschen Geschichte zu beschäftigen, war nicht einfach, aber dieses Kapitel gehört zu unserer Geschichte und wird uns wahrscheinlich noch lange begleiten. Sich damit auseinanderzusetzen, ist aus meiner Sicht nach wie vor wichtig, gerade für die jüngere Generation. Zudem glaube ich, dass man aus der Beschäftigung mit der Geschichte viel lernen kann. Persönlich finde ich es auch einfach spannend, Leser*innen mitzunehmen in vergangene Zeiten und damit in eine andere Welt.
Wie haben Sie für Ihren Roman recherchiert?
Ich habe sehr viele Bücher und Zeitzeugenberichte zu dem Thema gelesen, und mit Verwandten und Bekannten gesprochen, die die Zeit miterlebt haben. Zudem habe ich mit meinem Mann in Bibliotheken und alten Archiven gestöbert. Und wir haben viele Schauplätze besucht, um ein noch besseres Gefühl für die beschriebenen Orte zu bekommen.
Wie sieht Ihr Schreiballtag aus? Wie und wo schreiben Sie am liebsten, haben Sie besondere Schreibroutinen?
Ich schreibe am liebsten ganz früh morgens, wenn alles noch ruhig und dunkel ist. Ich sitze mit einem Kaffee an meinem Lieblingsplatz am Fenster, mit Blick in unseren Garten. Unser Hund Louie liegt dann neben mir auf seinem Sessel und schnarcht – die beste Begleitmusik, um schreiben zu können.
Wenn Sie Zeit dafür haben, was für Geschichten lesen Sie selbst?
Am liebsten lese ich interessante Literatur mit einem geschichtlichen Hintergrund und/oder einem spannenden Plot. Besonders mag ich es, wenn eine Geschichte mich überrascht. Und natürlich darf auch die Prise Liebe nicht fehlen…
Barbara Henning