Aktuelles | 21.12.2020 | Mosaik Verlag

Interview mit Holger Volland zu seinem Buch "Die Zukunft ist smart. Du auch?"

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Digitalexperte und Kulturvermittler Holger Volland erklärt, wie tief die Digitalisierung in Bereiche wie Arbeitswelt, Zuhause, Politik, Wirtschaft und Kultur bereits eingedrungen ist und welche Gefahren damit verbunden sind.

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Cover

Sie beschäftigen sich seit Jahrzehnten mit Fragen rund um die Digitalisierung. Was stellt die Menschen, aus Ihrer Erfahrung, vor die größten Herausforderungen?

Die große Komplexität lässt immer mehr Menschen ratlos zurück. Einerseits gelten digitale Technologien als Heilsbringer und Fortschrittsgarantie. Andererseits erleben wir Datenskandale, unsere Fernseher werden gehackt und Algorithmen übernehmen Arbeitsplätze. Als Laie da noch durchzublicken wird immer schwerer. Vor allem, weil wir alle digitale Technologien wie WhatsApp oder Staubsaugerroboter ganz selbstverständlich nutzen. Viele Menschen merken deshalb jetzt, dass sie zu IT-Managern ihres eigenen Lebens werden müssen, um Nutzen und Gefahr von Technologie in ihrem Alltag klug einschätzen zu können.


Die Corona-Situation sorgt ganz konkret dafür, dass die Digitalisierung in vielen Bereichen, in denen Deutschland bislang hinterherhinkt, vorangetrieben wird. Was bedeutet das insbesondere für unsere Arbeitswelt?

Wir haben uns rasend schnell an die Arbeit von Zuhause oder von Unterwegs gewöhnt. Das Leben Vieler wird leichter durch Homeoffice, etwa weil sie lange Arbeitswege sparen, Kinder haben oder Angehörige pflegen. Den technologischen Rückschritt in vielen Wirtschaftsbereichen holen wir in Deutschland gerade mit Siebenmeilenstiefeln auf. Gleichzeitig erleben wir, dass Unternehmen gemerkt haben, wie leicht sie Arbeitsplätze flexibilisieren können. Arbeit wird immer öfter an Telejobber mit Kurzaufträgen oder gar an Dienstleistungsplattformen mit Clickworkern im Ausland vergeben. Wer hierzulande mithalten will, muss sich also ziemlich anstrengen. Die digitale Kluft in unserer Gesellschaft wächst schneller. Die Rahmenbedingungen unserer Arbeitswelt brauchen deshalb dringend ein Update: Schnelle und verfügbare digitale Weiterbildung, neue Formen des Arbeitsschutzes oder der Arbeitnehmervertretung.


Die Digitalisierung zwingt jeden von uns, selbst mehr Verantwortung zu übernehmen, und sie verschiebt die Zuständigkeiten – besonders deutlich zeigt sich das schon heute im Bildungsbereich. Brauchen wir zukünftig eigentlich noch Schulen?

Schulen müssen dringend neue Aufgaben wahrnehmen, weil die reine Wissensvermittlung über viele verschiedene Wege, auch über Apps und Websites erfolgen kann. Mega-Erfolge für das Selbstlernen wie Sofatutor oder Youtube-Lehrer mit Hunderttausenden Followern sprechen Bände – dort lässt sich Wissen auf unterhaltsame Weise und in ganz persönlicher Lerngeschwindigkeit erwerben. Schulen müssen also eher bei der Auswahl geeigneter Lernmittel helfen, kritisches Denken und das Hinterfragen von Quellen und Nachrichten fördern, die Einübung von sozialen und Team-Kompetenzen steigern. Leider zeigen internationale Vergleichsstudien, dass unser Bildungssystem, die Schulen selbst und auch viele Lehrerinnen und Lehrer darauf noch nicht so gut vorbereitet sind.


Gerade im Kulturbereich werden derzeit neue Konzepte entwickelt, die auch online funktionieren. Rockkonzerte, Lesungen und Theater als Digitalveranstaltungen – ist das die Zukunft?

Kultur lebt von Begegnung und Reibung. Beides ist im digitalen Raum nur in Grenzen herstellbar. Ich bin deshalb fest davon überzeugt, dass die Menschen immer hungrig nach gemeinschaftlichen kulturellen Live-Erlebnissen sein werden. Gleichwohl macht die Digitalisierung natürlich auch vor diesem Bereich nicht halt. Insbesondere die Notwendigkeit, Inhalte so aufzubereiten, dass sie am Bildschirm konsumierbar sind, wird die Verschmelzung von Hoch- und Popkultur vorantreiben. Auf dem Screen findet sich eben alles friedlich nebeneinander: Beethoven und Cardi B, Netflix und Novalis, Pokémon und Picasso. Darüber hinaus werden spannende Projekte über Genre-Grenzen hinweg neue Formen des Kulturerlebnisses für ein breiteres Publikum ermöglichen: Literatur als Massenevent, Klassikkonzerte in Computerspielen, Theater als VR-Erlebnis, Kunstauktionen im Netz oder Kunst von Algorithmen sind Beispiele dafür.

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