Aktuelles | 27.03.2023 | Goldmann

Interview mit Harry Whittaker über „Atlas – Die Geschichte von Pa Salt“

Lucinda und Harr

Millionen Leser*innen warten auf den großen Abschlussband der Sieben-Schwestern-Reihe, der am 11. Mai 2023 weltweit erscheint. Harry Whittaker erzählt im Interview, wie er das Lebenswerk seiner Mutter Lucinda Riley finalisierte. 

media:image:38d7621d-713e-4815-b51c-f141ecadaf1e

Cover

Millionen Leserinnen und Leser warten auf „Atlas – Die Geschichte von Pa Salt“, den großen Abschlussband der Sieben-Schwestern-Reihe, der am 11. Mai 2023 weltweit erscheint. Bist Du aufgeregt?

Ja, natürlich! Lucinda Riley hat sich die Sieben-Schwestern-Reihe vor über einem Jahrzehnt ausgedacht und hat die Leserinnen und Leser auf eine großartige Reise mitgenommen. „Atlas“ ist das Ziel. Ich weiß, dass die deutschen Fans von den Geschichten der D'Aplièse-Schwestern und ihres geheimnisvollen Vaters gefesselt sind und sehr viele Fragen darüber haben, wie und warum Pa Salt seine Töchter adoptiert hat. Die Leser*innen können sicher sein, dass sie in diesem finalen Band alle beantwortet werden – und eines kann ich versprechen: es wird an schockierenden Enthüllungen nicht mangeln. „Atlas“ wird diejenigen belohnen, die die Serie von Anfang an geliebt haben, und gleichzeitig gibt es auch eine ganz neue Geschichte zu erzählen. Darüber kann ich allerdings noch nichts verraten – meine Lippen sind fest versiegelt.

„Ich habe die Geschichte seit acht Jahren im Kopf und kann es gar nicht erwarten, sie schließlich und endlich zu Papier zu bringen“, schrieb Lucinda Riley in ihrer Anmerkung am Ende des siebten Bandes ihrer Sieben-Schwestern-Reihe. Tragischerweise verstarb sie im Juni 2021, nachdem 2017 eine Krebserkrankung bei ihr diagnostiziert worden war. Wie kam es, dass sie bereits viele konkrete Ideen für den achten Band hatte?

2016 wurde Lucinda von einer Hollywood-Filmproduktionsfirma umworben, die sie bat, ein Ende für ihre Sieben-Schwestern-Serie zu entwerfen. Dieses Ende gestaltete sie in Form eines 30-seitigen Drehbuch-Dialogs zwischen zwei Figuren, über die ich leider noch nichts verraten darf. Dieser Dialog erwies sich als eine wunderbare Orientierungshilfe für mich – ich wusste plötzlich, wohin das Ganze führen sollte. Dies und die Tatsache, dass Pa Salt in jedem Buch auftaucht, bedeutete, dass es ein Gerüst gab, das sich mir quasi fast von alleine offenbarte.

Vor ihrem Tod hat Deine Mutter Dir die Geschichte von „Atlas“ in die Hände gelegt, damit Du sie nach ihren Vorstellungen schreibst und somit die Sieben-Schwestern-Serie zum Abschluss bringst. Damit hast Du Lucinda Rileys größtes und bedeutendstes Romanprojekt finalisiert. Das ist natürlich eine große Ehre, aber auch eine große Verantwortung, die Du gegenüber ihren Fans hast.

Viele Menschen haben mich gefragt, wie ich mit dem Druck umgehe, der mit dieser Aufgabe verbunden ist. „Atlas“ verspricht, endlich die Geheimnisse zu lüften, über die die Leser*innen ein Jahrzehnt lang nur Vermutungen anstellen konnten. Ich habe diesen Prozess jedoch immer als eine Hommage betrachtet. Ich habe die Serie für meine Mutter, die gleichzeitig auch meine beste Freundin und meine Heldin war, zu Ende gebracht. In dieser Hinsicht habe ich überhaupt keinen Druck empfunden, sondern würde das Projekt eher als Liebesdienst bezeichnen.

2018 haben Lucinda Riley und Du eine Kinderbuch-Serie ins Leben gerufen, die „Deine Schutzengel“ heißt. Für diese Serie habt Ihr gemeinsam vier Bücher geschrieben, insofern war die Zusammenarbeit mit Lucinda nichts Neues. Was war für Dich die größte Veränderung und Herausforderung beim Schreiben von „Atlas“?

Leider haben wir für „Atlas“ nie physisch zusammengearbeitet oder zusammen geschrieben. Meine Mutter und ich hatten an Weihnachten 2018 ein sehr langes, vertrauliches Gespräch über die Zukunft und haben danach nie mehr darüber gesprochen, weil es nichts mehr weiter zu sagen gab. Wir wussten beide, dass ich die Sieben-Schwestern-Serie im schlimmsten Fall zu Ende bringen würde, doch wir glaubten fest daran, dass Lucinda überleben würde und dieser Plan nicht notwendig sein müsste.

Die größte Herausforderung war, dass ich „Atlas“ innerhalb eines Jahres schreiben musste. Der Roman wird weltweit am 11. Mai 2023 veröffentlicht, und die etwa 40 Übersetzer*innen mussten am 1. Oktober 2022 mit ihrer Arbeit beginnen. Es gab also keine Möglichkeit, den Termin auch nur um einen Monat zu verschieben. Um die Frist einzuhalten, musste ich mich zwingen, jeden Tag zehn Seiten zu schreiben. Da ich bisher nur Kinderbücher geschrieben hatte, bei denen ich oft einen ganzen Vormittag damit verbrachte, einen Satz umzustellen, war der schiere Umfang des 800-seitigen Manuskripts zweifelsohne respekteinflößend.

Wie kann man sich eure Zusammenarbeit für die Kinderbuch-Serie „Deine Schutzengel“ und den gemeinsamen Schreibprozess vorstellen? Lucinda war ja zu dem Zeitpunkt bereits schwer krank.

Die gemeinsame Arbeit an der Schutzengel-Serie empfand ich als ein großes Privileg. Meine Mutter hatte die Ideen für die Handlung, und ich schrieb die Bücher, die wir dann gemeinsam besprochen haben. Es fühlte sich an, als würde ich von Monet malen oder von Mozart komponieren lernen. Lucinda war eine der größten Geschichtenerzählerinnen der Welt, und ich hatte das große Glück, von ihr zu lernen. Wir haben auch viel zusammen gelacht! Das Schreiben ist ein sehr einsamer Beruf, und wenn man mit jemandem zusammenarbeitet, kann das eine sehr schöne und beglückende Erfahrung sein.

Harry Whittaker

Lucinda Riley hat nicht nur das Leben all jener berührt, die sie persönlich kennengelernt haben, sondern auch das ihrer Leserinnen und Leser, die ihre Geschichten geliebt haben. Hattet ihr eine enge Beziehung?

Ja, wir waren beste Freunde. Ganz ehrlich! Wir hatten irgendwie das gleiche Gehirn. Was ich am meisten vermisse, ist unsere Fähigkeit, uns gegenseitig aufzumuntern. Egal, welche Katastrophe sich ereignet hatte, nach nur wenigen Minuten im Gespräch kicherten wir bei einem Glas Gin Tonic. Wir verstanden uns blind. Ich versuche, mich nicht zu sehr mit dem Verlust zu beschäftigen, sondern mich daran zu erinnern, wie glücklich ich mich schätzen kann, ihr Sohn zu sein.

Du hast Deine ersten Lebensjahre an der sehr ländlichen Westküste Irlands verbracht, mit schwachem Fernsehempfang und ohne Internet. Aber Deine Mutter Lucinda sorgte für Unterhaltung, indem sie Dir Geschichten erzählte. Wie hat das Deinen weiteren Lebensweg geprägt?

Mein Vater war ebenfalls Schauspieler und Schriftsteller, ich glaube also nicht, dass ich dazu bestimmt gewesen wäre, Klempner oder Pilot zu werden. Wenn man umgeben von einem bestimmten Lebensstil heranwächst, ist es fast unvermeidlich, dass dieser als ‚normal‘ empfunden wird und somit auch die eigene Zukunft beeinflusst. Meine Mutter liebte die Menschen und war fasziniert von dem, was sie bewegte. Ich glaube, das ist es, was sie letztlich zu einer so wunderbaren Geschichtenerzählerin machte. Sie sagte einmal, Schreiben sei für sie ein Grundbedürfnis, und selbst wenn es nicht ihr Beruf wäre, würde sie es trotzdem tun. Für mich fühlt sich das genauso an.

Als Radiomoderator bei der BBC und als führendes Mitglied einer der bekanntesten Improvisationstheater-Gruppen Großbritanniens ist das Erzählen von Geschichten eigentlich immer schon ein bedeutender Part Deines Lebens gewesen.

Meiner Meinung nach ist Geschichten zu erzählen für uns Menschen wie zu atmen. Wir denken nicht darüber nach, wir tun es einfach: Bei der Arbeit, in Bars, wir erzählen unseren Kindern Gute-Nacht-Geschichten. Zufälligerweise erzähle ich meine Geschichten eben vor einem größeren Publikum als die meisten anderen. Ob auf der Bühne, im Radio oder in Romanform, ich denke, es ist im Grunde alles das Gleiche: Es geht darum, Ideen zu vermitteln.

Wie sieht es mit Deinen zukünftigen Plänen als Autor von ganz eigenen Werken aus? Möchtest Du uns dazu schon etwas verraten?

Ich bin tatsächlich gerade in der Planungsphase eines neuen Romans. Er wird zeitgenössisch, humorvoll und wahrscheinlich sehr britisch. Ich hatte schon immer eine große Vorliebe für Autoren wie David Nicholls und Nick Hornby. Deren Stil entspricht mir sehr.

Was künftige Werke von Lucinda Riley betrifft, so wissen treue Leser*innen, dass sie in den 1990er Jahren unter dem Namen Lucinda Edmonds schrieb. Sie hat einige dieser Romane stark überarbeitet und unter neuen Titeln veröffentlicht – wie beispielsweise „Der Engelsbaum“ und „Das italienische Mädchen“. Es gibt noch weitere solcher Romane, die ich in ihrem Sinne überarbeiten möchte. Jetzt brauche ich aber erst mal eine Pause!

Lucinda liebte das Leben, und sie hat jeden Moment bis zur Gänze ausgeschöpft. Sie schrieb den unvergesslichen Satz: „Durch den Schmerz und die Freude, die ich auf meiner Reise erlebt habe, habe ich die wichtigste Lektion gelernt, die uns das Leben schenken kann: Der Moment ist alles, was wir haben.“ Was bedeuten diese Worte für Dich? Wie sieht Deine Version eines gut gelebten Lebens im Augenblick aus?

So lautet die letzte Zeile ihres Romans „Das Orchideenhaus“, den sie 2010 geschrieben hatte. Ich habe diesen Satz ausgewählt, als wir Lucindas Tod verkünden mussten, weil er ihre Lebensphilosophie perfekt zusammenfasst. Im Augenblick zu leben ist das Geheimnis einer glücklichen Existenz. Ich bin mir noch nicht sicher, was ein gut gelebtes Leben bedeutet. Frag mich noch einmal, wenn ich achtzig bin. Ich hoffe, dass ich bis dahin die Antwort gefunden habe!

 

Das Interview darf gerne nach Absprache abgedruckt werden.

© Barbara Henning, Goldmann Verlag 

barbara-henning.JPG

Mehr als 40 Verlage unter einem Dach – ein breites Themenspektrum, unzählige Titel und vielseitige Persönlichkeiten! Das Presseportal der Penguin Random House Verlagsgruppe informiert über aktuelle Themen, Neuerscheinungen, Vorschauen und Veranstaltungen und ermöglicht das komfortable Bestellen von Rezensionsexemplaren.

© Penguin Random House Verlagsgruppe