Welcher Karriereschritt war für dich der bedeutungsvollste – und warum?
Im Laufe einer jeden Pilot*innen-Karriere ist der bedeutungsvollste Schritt immer der von „rechts“ nach „links“. In meinem Buch gibt es dementsprechend ein Kapitel mit der Überschrift „Auf den linken Sitz“. Die Welt eines Piloten verändert sich grundlegend, sobald man nicht mehr „nur“ die Co-Pilot*in ist sondern die Kapitän*in eines Flugzeugs, ab dann ist links nämlich nur noch das Fenster statt einer Person, die man um Rat fragen kann. Man trägt dann die Gesamtverantwortung, das fühlt sich nochmal ganz anders an.
Du bist auch eine gefragte Rednerin auf Ärztekongressen: Was hat die Luftfahrt denn mit der Medizin zu tun?
High Reliability Organizations sind wir – sowohl im Krankenhaus als auch im Flugzeug. Der Patient hat ähnliche Wünsche wie ein Fluggast, wenn man sich überlegt, was er von seinem Anbieter erwartet. Ganz oben stehen die Sicherheit und das Menschenleben. Aus diesem Grund gibt es viele Parallelen – auch in der Art des Arbeitsumfeldes. Pilot*innen ticken oftmals sehr ähnlich wie Ärzt*innen, sie werden auch ganz anders ausgesucht als etwa unsere Flugbegleiter*innen – oder im Krankenhaus das Pflegepersonal. Es gibt auch viele Gemeinsamkeiten im Bereich der Kommunikation, hier geht es darum, wie die unterschiedlichen Berufsgruppen erfolgreich miteinander interagieren.
Wie sieht denn der typische Arbeitstag einer Flugkapitänin aus?
Den typischen Arbeitstag einer Flugkapitänin gibt es nicht. Wir sind klassische Schichtarbeiter. Ich habe jeden Monat einen neuen Dienstplan, durch den ich 18 bis 20 Tage eingeplant bin. Ob ich am Wochenende oder innerhalb der Woche fliege, am Tag oder in der Nacht, das ist jeweils ganz unterschiedlich.
Und wie lautet dein Top-Tipp gegen Jetlag?
Als Pilot*in muss man sich darüber klar werden, in welcher Zeitzone man leben möchte. Ich habe für mich entschieden, generell in der deutschen Zeit zu bleiben und nicht in die jeweils lokale zu wechseln. So kann es mir beispielsweise in Japan bei Nacht passieren, dass ich wach bin – und tagsüber schlafe. Das ist aber auch davon abhängig, wie lange ich mich jeweils in der anderen Zeitzone aufhalte.
Welche Anekdote aus dem Cockpit erzählst du am liebsten, um mit anderen deine Begeisterung fürs Fliegen zu teilen?
Die Begeisterung fürs Fliegen entsteht jedes Mal, wenn ich die Schubhebel nach vorne schiebe und von der Startbahn abhebe. Wenn ich durch die Wolkendecke fliege. Wenn ich die Sonne jeden Tag sehen darf – oder den Vollmond – oder den Sternenhimmel. Dann vergesse ich alles um mich herum und konzentriere mich ganz auf meine Arbeit als Pilotin.
Gibt es eigentlich ein Land, das du noch nie angeflogen hast – obwohl du gerne würdest?
Da ich nur eine kurze Zeit im Tourismus-Sektor gearbeitet habe, gibt es noch viele Länder, die ich nicht angeflogen habe. Es sind besonders die Inselstaaten im Pazifik und im Indischen Ozean, die auf meiner Bucketlist noch fehlen.
Und welchen Flughafen steuerst du nicht so gerne an?
Jeder Flughafen hat seinen eigenen Reiz. Es gibt keinen, den ich nicht gerne ansteuern würde. Auch Flughäfen mit einem sehr hohem Verkehrsaufkommen oder herausfordernden topographischen Verhältnissen reizen mich eher, als dass sie mich abschrecken.
Du hast zwei Kinder – hat sich das Gefühl für deinen Beruf geändert, nachdem du Mutter wurdest?
Mein Beruf hat sich total geändert nachdem ich zwei Kinder hatte, schon nach dem ersten Kind. Mutter zu sein, hat vor allem meine Resilienz gestärkt. Beim Verhalten des einen oder anderen Mitmenschen habe ich mir früher manchmal gedacht: „Mensch, Du verhältst dich gerade wie meine kleine Tochter!“ Das hat mich deutlich gelassener gemacht als ich es vielleicht vorher auch schon war.
Im Buch berichtest du von den schönen Momenten, wenn dich deine Töchter früher im Cockpit begleiten durften. Wie war das, als deine Töchter realisiert haben, dass ihre Mutter im Vergleich zu anderen Frauen einen richtig außergewöhnlichen Job hat?
Ja, das ist total spannend. Meine Töchter sind ja damit aufgewachsen, dass ich Pilotin bin. Vor Kurzem sind wir privat geflogen, im Cockpit saßen zwei Pilotinnen und meine große Tochter war entzückt, dass zwei Frauen die Maschine steuerten. Ich fragte sie, warum das so sei und sie antwortet mir: „Na, das ist doch toll!“ Es hat sich für mich so angefühlt, als ob diese Art von Normalität selbst bei ihr noch keinen Platz gefunden hat.
Und last but not least: Was wünschst du dir für die Zukunft der Luftfahrt?
Ich wünsche mir für die Zukunft der Luftfahrt, dass Bücher wie meines noch mehr verstehen lassen, dass auch Pilot*innen Menschen sind. Dass es ein ganz großes Thema sein muss, psychische Sicherheit in den Teams, an Bord, in unseren Flugzeugen und innerhalb der Crews zu schaffen. Das sollte Standard werden und auf diese Weise zu einer noch größeren Sicherheit im Luftverkehr beitragen.
Danke für deine Zeit, liebe Cordula.
Januar, 2024. Die Fragen stellte Julia Meyn. Gerne dürfen Sie (nach Absprache) das Interview oder Teile daraus entnehmen und verwenden.