Als Gast an Europas Tischen erfährt Wladimir Kaminer in seinem neuen Buch und Hörbuch "Mahlzeit!" Träume, Wünsche, Sorgen und Hoffnungen, kommt mit den Menschen ins Gespräch und taucht in deren Geschichte und Geschichten ein. Seine Streifzüge zeigen ein Europa, das so vielfältig, bunt und überraschend ist wie seine Speisen.
"Mahlzeit!" erscheint am 28.08.2024 als Buch und Hörbuch.
Wie immer hat Wladimir Kaminer auch sein neustes Hörbuch selbst eingelesen und wir haben ihm während der Aufnahme einige Fragen zu seiner kulinarischen Reise durch Europa gestellt. Sie können dieses Interview oder Teile davon gerne in im Rahmen Ihrer Rezension von Buch und Hörbuch verwenden. Alle Dateien (Audiofiles und Transkript) stehen unten zum Download bereit.
Bitte beachten Sie die Rezensionssperrfrist bis zum 26.08.2024.
Wie haben Sie Ihre Reise geplant bzw. wie sind die einzelnen Begegnungen zustande gekommen?
Ich habe meine Reisen eigentlich nie geplant. Ich bin ein Geschichtensammler, und das ist ein Job, da muss man eigentlich immer wachsam sein, die Neugier nicht verlieren, genau zuhören und schauen, was eigentlich wo passiert. Das ist immer ein Gefühl, etwas Unbeschreibliches eigentlich, was man dann in Worte fassen möchte. Und so formuliert sich eine Geschichte daraus.
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Wie sind Sie auf die Idee gekommen, Europa übers Essen kennenzulernen?
Ich habe früher dieses Thema „Essen“ eigentlich total unterschätzt. Ich dachte, es ist langweilig, und es gibt so viele Bücher darüber. Aber eigentlich sind wir jetzt in einer solchen Situation, wo dieses Essen der letzte Zusammenhalt einer Gesellschaft zu sein scheint. Über das Essen sind Menschen bereit, ins Gespräch zu kommen. Die unterschiedlichsten Leute setzen sich zusammen, alle essen, alle haben dazu was zu sagen. Durch Essen sind die Menschen noch bereit, einander zuzuhören. Deswegen dachte ich, darauf möchte ich bauen, um dieses Europa zu beschreiben, wie vielfältig, wie schräg und gleichzeitig auch schön das ist.
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Wie haben die Menschen in den verschiedenen Ländern auf Ihre Neugier reagiert?
Na, man kommt mit den Menschen am besten ins Gespräch, wenn man eine Mahlzeit mit ihnen teilt – oder einen trinkt. Und da ich eine gewisse Trinkfestigkeit besitze und auch bereit bin, ein paar Kilos zuzunehmen, wenn es sein muss, hatte ich keine Probleme, mit Menschen in Kontakt zu treten.
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Welches Gericht oder welche Speise hat Sie am meisten überrascht und warum?
Das war so ein Österreichisches. Da wird, glaube ich, in einen Kuchen Luft reingepustet, und auf einmal verschwindet es von allein auf dem Teller. Das war krass! Wie heißt das denn, also dieses Ding, was sie in Salzburg machen? Salzburger Nockerl! Also es war dann plötzlich wie so ein kaputter Luftballon. Plupp und weg!
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Wie hat diese Reise Ihr Verständnis von Europa verändert oder erweitert?
Ich halte die Geschichte der Europäischen Union für äußerst spannend. Wir sind alle verschieden und wir sind alle gleich. Aus dieser Diskrepanz entsteht etwas Neues, etwas Kreatives. Etwas, was es früher nicht gegeben hat, als wir noch feste Grenzen hatten, mit bewaffneten Soldaten, die zwischen dem einen und dem anderen Land standen. Das ist eine Geschichte, die noch am Anfang ist. Und ich bin sehr neugierig, wie sich das weiterentwickelt.
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Was ist Ihre persönliche Botschaft oder Ihr Fazit aus dieser kulinarischen Reise durch Europa?
Naja, es gibt unglaublich viel Kritik an der Europäischen Union. Die Union scheint politisch schwach zu sein, ökonomisch nicht wirklich gerecht. Sie kann keine gemeinsame Position, in so gut wie keiner Frage eigentlich, formulieren. Aber kulturell, menschlich ist da so viel Interessantes passiert. Da ist eine Art europäischer Geist entstanden. Er ist noch ganz klein, es ist noch ein Baby. Aber das ist ein superniedliches Baby mit großen Chancen. Ich bin ein Fan!
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Wie bereiten Sie sich auf eine Hörbuchaufnahme vor?
Auf eine Hörbuchaufnahme bereite ich mich gar nicht vor. Ich weiß, egal wie man sich vorbereitet, es ist unglaublich schwierig, in einem luftfreien Raum, vier, fünf Stunden eigene Texte zu lesen. Die kommen dann plötzlich einem auch so blöd vor, und man denkt immer: Habe ich das wirklich geschrieben? Ich hätte es anders schreiben müssen! Es ist eine Qual, eine Folter. Aber das, was am Ende kommt, das lässt sich dann zeigen.
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Wie unterscheidet sich die Arbeit im Tonstudio von einer Lesung auf der Bühne vor Publikum?
Wenn ich auf einer Bühne meine Geschichten zum Besten gebe, bin ich viel freier. Ich kann zum Beispiel mal eine Pause machen, etwas abschweifen, was anderes erzählen. Ich kann die Geschichte kürzen. Ich kann machen, was ich will und ich sehe auch die Augen von Menschen, die mir zuhören. Und im Tonstudio rede ich gegen die Wand. Also ab und zu schaue ich so nach rechts zu Herrn Fruck [Regisseur], ob er mich hört, aber er hat so ein Pokerface, bei dem kann man nie wissen, ob er mich hört oder nicht.
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