Aktuelles | 08.08.2023 | der Hörverlag

Hörbuchsprecher Rufus Beck über 25 Jahre "Harry Potter" in Deutschland

Foto von Rufus Beck (c) Siegfried Sperl

1998, ein Jahr nach der englischen Originalausgabe, erschien „Harry Potter und der Stein der Weisen“ von JK Rowling. Mit diesem ersten von insgesamt sieben Büchern nahm eine Erfolgsgeschichte ohnegleichen ihren Anfang. Die Bücher über den jungen Zauberlehrling und seinen mächtigen Widersacher Lord Voldemort wurden bis heute in 84 Sprachen übersetzt, weltweit über 600 Millionen Mal verkauft und als Hörbücher, gelesen von Rufus Beck, über eine Milliarde Stunden lang angehört. Anlässlich des Jubiläums "25 Jahre Harry Potter in Deutschland" und des Events "Back to Hogwarts" (26.8./Hamburger Rathausmarkt) haben wir Rufus Beck einige Fragen gestellt.

Rufus Beck Lesung (c) Siegfried Sperl

Hätten Sie vor rund 25 Jahren gedacht, dass die “Harry Potter”-Romane und Ihre Lesungen so ein beispielloser Erfolg werden? 

Ich habe natürlich nicht mit so einem Erfolg gerechnet. Es ist wirklich ein beispielloser Erfolg. Ich habe damals beim ersten Band einfach nur gesagt, dass ich das Buch so interpretieren möchte, wie ich mir das vorstelle und wie man das vielleicht sonst nicht tun würde. Man könnte es mit der Malerei vergleichen. Ich habe wirklich so wie Van Gogh mit dicken Ölfarben gemalt und Figuren erfunden. Figuren, die ich mir vorstellte und Figuren, die teilweise sogar ein reales Vorbild in meiner Welt haben. Menschen, die ich kenne, die ich da akustisch verewigt habe. Aber so einen Erfolg kann man nicht planen. Ein Erfolg ist immer ein Riesenglück, ein Geschenk, es müssen sehr viele Dinge zusammenkommen. Ich glaube, so ein Harry Potter wäre vielleicht vor 40 Jahren nicht möglich gewesen oder wäre nicht so ein Erfolg geworden. Ich glaube, es muss alles zusammenkommen, gerade die Sehnsucht nach Magie, die Sehnsucht nach Märchen und natürlich das Besondere, was Joanne K. Rowling geschaffen hat. Sie hat sich bei vielen fantastischen Geschichten bedient und daraus ihre eigene Geschichte gesponnen, die sehr viel Authentizität hat. Ich glaube, das Besondere daran ist, dass sie es geschafft hat, die Magie und die Welt der Muggel, der Menschen, miteinander zu verbinden. Wir müssen uns nur umschauen, die Magie ist überall zu finden - jetzt und nicht nur an Gleis 9 ¾. 

DIE Stimme Harry Potters im deutschsprachigen Raum zu sein: Fluch oder Segen, oder beides? 

Ich bin sehr stolz darauf, diese verschiedenen Figuren erfunden zu haben und, dass es den Menschen gefallen hat. Ich glaube, man muss immer von sich ausgehen. Es war meine Vorstellung von Harry Potter. Deswegen habe ich auch nie einen Film gesehen, weil ich mir meine Vorstellung, meine Imagination, meine Faszination und meine Fantasie nicht zerstören lassen wollte. Dass das funktioniert hat, ist natürlich ein Segen. Warum soll es ein Fluch sein? Es gab natürlich Zeiten, da wurde ich, glaube ich, sehr auf die Stimme reduziert. Ich nenne mich Zehnkämpfer der darstellenden Künste. Ich mache Regie, schreibe, inszeniere, moderiere, spiele Theater, mache Film und produziere eben auch Hörbücher. Aber es ist zuvorderst eine große Dankbarkeit und ich werde sehr oft darauf angesprochen. Kürzlich ist mir etwas passiert, als zwei Jungs, die aussahen wie Rapper, an mir vorbeigelaufen sind. Da blieb der eine stehen, drehte sich um und fragte, ob ich nicht Rufus Beck sei. Ich guckte ein bisschen und bejahte. Er bedankte sich und sagte, dass er mit meinen Hörbüchern aufgewachsen und das seine Kindheit gewesen sei und diese gerettet habe. Es ist unglaublich zu hören, dass ich anscheinend viele Menschen mit den Geschichten berühren konnte. Vielleicht ist mir das auch so nah, weil ich es selbst natürlich kenne, ohne Eltern aufzuwachsen, weil ich im Internat war. Ich weiß, wie wichtig es ist, dort die richtigen Freunde zu haben. Es gibt auch Feinde. Es gibt verschiedene Häuser und man muss genau wissen, wo man hingehört. Man muss wirklich versuchen, zu überleben. Also ich kann die Geschichte von Harry sehr gut nachvollziehen. 

Sprecher Rufus Beck (c) Sven Krohn

Millionen von Potter-Fans haben viele Hörstunden mit Ihnen verbracht: Was macht diese Vorstellung mit Ihnen? 

Ja, Millionen von Potter-Fans haben viele Hörstunden mit mir verbracht. Kürzlich war ich mit meiner Freundin unterwegs und dann kam eine junge Dame auf uns zu, blieb vor mir stehen und sagte, dass sie jede Nacht mit mir verbringe. Meine Freundin hat ein bisschen komisch geguckt, aber ich wusste sofort, was sie damit meinte. Wenn manche sagen, dass sie das immer wieder zum Einschlafen hören, ist das normalerweise nicht unbedingt ein Kompliment. Aber ich verstehe, dass meine Stimme auf einmal zu einer Familie oder zu einem Haushalt gehört, das ist beruhigend. Man weiß, worum die Geschichte geht und offensichtlich habe ich eine Mittelstimme - nicht zu tief, nicht zu hoch, genau in der Mitte. Was ich mit dieser Stimme dann vor dem Mikrofon mache, ist etwas ganz anderes. Eigentlich habe ich eine relativ weiche Stimme, aber mit dem Mikrofon, das ein Instrument für mich ist, kann sich meine Stimme sehr verändern. Diese Vorstellung, dass es Millionen von Potter-Fans gibt, ist mir selber immer ein bisschen unheimlich. Langsam, nach vielen, vielen Jahrzehnten habe ich mich jetzt daran gewöhnt, dass das ein Geschenk war, ein Geschenk des Himmels, das machen zu dürfen. 

Vor 25 Jahren haben Sie sehr viel Zeit mit dem “Harry Potter”-Personal verbracht. Tauchen die Figuren ab und zu noch in Ihren Träumen auf? 

Wahrscheinlich tauchen sie in meinen Träumen auf. Bei mir ist es nur so, dass ich mich an Träume überhaupt nicht erinnern kann. Ich weiß, dass ich nachts teilweise sehr heftig träume, und manchmal weiß ich, dass ich träume, weil irgendetwas Schwieriges, Schlimmes passiert. Es gibt typische Schauspielerträume, dass man den Auftritt verpasst, dass man im falschen Stück auftritt, dass man den Text nicht weiß, dass man zu spät oder zu früh in eine Szene kommt, aber am nächsten Tag ist alles vergessen. Insofern vermute ich, ist das “Harry Potter”-Personal schön auf der CD, im Buch und im Film geblieben, wird aber wahrscheinlich irgendwie Sonderliches in meinen Träumen treiben, aber ich weiß nichts davon. 

Würden Sie manche Figuren inzwischen anders sprechen? 

Ich habe eigentlich erst vor zwei Jahren zum ersten Mal wieder in den ersten Band hineingehört, also genau genommen zum ersten Mal überhaupt in einen Band hineingehört. Ich habe die ganzen Hörbücher, die ich selber gesprochen habe, selbst gar nicht gehört. Ich habe das gemacht, und das war für mich eine Einsiedelei – ich war oft wochenlang im Studio. Ich liebe das Studio und ich liebe diesen stillen Raum. Aber ich würde, glaube ich, die Figuren nochmals so machen. Jetzt hätte ich bestimmt mehr Erfahrung, würde mir vielleicht manchmal mehr Zeit lassen, noch mehr Spannung erzeugen. Aber im Grunde genommen, würde ich diese Figuren, die ich da vor meinem Auge habe, nicht anders machen. 

BTH Fan Event Visual

Ihr(e) Lieblingscharakter(e) aus den Büchern? 

Mein Lieblingscharakter ist eigentlich Hagrid. Hagrid ist gefühlt drei Meter hoch und ich habe ihn ein bisschen wie einen Motorradfahrer charakterisiert, der auf einer Harley-Davidson sitzt, mit einem wahnsinnigen Rauschebart, ein bisschen wie ein Hells Angel. Er ist natürlich furchterregend, hat aber eine Kinderseele. Er hat phantastische, witzige Hobbys, ist unglaublich naiv und absolut liebevoll, hat ganz viel Empathie und er ist ein Kind geblieben. Hagrids Stimme war am Anfang nicht so tief wie sie später – vor allem im letzten Band – wurde. Die Stimme wurde immer tiefer, so wie sich andere Figuren auch verändert haben. Bei Dumbledore ist es am Ende fast nur noch ein Hauch. Es faded aus, er hat keine Kraft mehr, die Stimme ist nur noch ein ganz leises, weiches Flüstern. Am Anfang denkt man, dass er eine leichte Erkältung hat. Aber Hagrid ist, denke ich, meine Lieblingsfigur. 

Dann gibt es natürlich noch so eine wahnsinnige Figur wie Dobby. Dobby hält man einfach im Kopf nicht aus, weil er immer nur nervt. Da musste ich eine Stimme finden, die wirklich nervt. Gleichzeitig tut Dobby einem ein bisschen leid, und das charakterisiert diese Figur, die ein absoluter Masochist und dann wieder ganz liebesbedürftig ist. Aber er geht einem unglaublich auf den Keks, er ist immer zu laut, immer zu schrill. Deswegen muss man die ganze Zeit, wenn man Dobby hört, die Lautstärke herunterdrehen, und dann hört man die anderen nicht, dann muss man wieder aufdrehen und leise und auf und so weiter. Dobby mag ich auch, aber Hagrid ist mein Lieblingscharakter. 

Kehren Sie in Gedanken manchmal an den magischen Ort Hogwarts zurück? 

Ich kenne natürlich das Internat. Ich habe mich mit Harry beschäftigt und denke an ihn, weil Kinder sich nicht unterscheiden wollen. Er ist 10-11 Jahre alt, als er in das Internat kommt und er ist durch seine Begabung stigmatisiert. Dadurch gibt es sofort Anfeindungen und Eifersucht. Er wird auch gemobbt. Harry kann das alles überstehen, er nimmt sich selbst nicht zu ernst, ist bescheiden und er hat viele Charakterzüge, die mir an ihm gefallen. Ich weiß, was es bedeutet, in einem Internat zu sein und in seinem Fall sind die Eltern tot. Meine waren einfach nur abwesend und haben woanders gelebt und waren sehr viel im Ausland. Das ist eine riesige Herausforderung für ein Kind. Mich berührt das, und man könnte sagen, alle Abenteuer und alles passiert, um herauszufinden, warum seine Eltern sterben mussten. Das wird an Voldemort festgemacht. Gleichzeitig hat er natürlich auch einen Alltag im Internat. Ich kehre, wenn ich an „Harry Potter” denke, zur Hauptfigur zurück, die ein Held ist, aber gleichzeitig ein etwas gebrochener, sehr weicher, liebevoller und kein harter Held. Es gefällt mir sehr, wie er beschrieben ist. Er ist bescheiden, mutig und neugierig und er möchte lernen. Er weiß, dass man nur im Team stark ist. Ihm ist es auch unangenehm, Erfolg zu haben, und er versucht zu verstehen, versucht selbst diese schwachsinnigen Dursleys irgendwie zu verstehen. Er hat Humor, das ist ganz wichtig. Er hat sehr viele Eigenschaften, die ich mir von jedem Freund und jedem Partner wünsche, dass die das auch haben. 

Werden Sie noch häufig von Fans angeschrieben und angesprochen? 

Ja, ununterbrochen, aber es geht durch alle Generationen hindurch. Auch ältere Menschen, die das irgendwann gehört haben, sprechen mich darauf an. Wenn ich nicht von außen erkannt werde – ich habe doch ein eher auffälliges Profil – dann werde ich manchmal an der Stimme erkannt. Es freut mich natürlich besonders, wenn mir Kinder etwas schreiben, auch kleinere Kinder. Ich bekomme manchmal auch Geschenke, sie malen oder schreiben etwas, zum Beispiel ein Gedicht. Das ist ganz entzückend – ja, das passiert immer noch. 

Der jüngste und der älteste Potter-Fan, den Sie kennen? 

Der älteste Potter-Fan wäre vielleicht – es wird wahrscheinlich ältere geben – meine Mutter mit 83 Jahren und die jüngsten Potter-Fans sind meine Enkelkinder. 

Wenn Sie eine Wette abschließen müssten, würden Sie dann auf den Erfolg des Rekordversuchs am 26.8. in Hamburg wetten? 

Ja, ich bin sicher, dass wir den Rekord schaffen. Wir müssen knapp unter 1000 Menschen erreichen, die im Harry Potter-Kostüm auftreten werden. Ich glaube, das ist möglich. Da ist Sommer, das ist am Rathaus. Es gibt tolle Veranstaltungen, ich werde lesen und mit den Leuten eine Performance hinlegen. Ich freue mich riesig darauf, in Hamburg auftreten zu können, denn in den letzten Jahren hatte ich sehr selten Gelegenheit, mein Harry Potter-Programm vorzutragen. Aber jetzt, nach 25 Jahren, ist es mal wieder Zeit, dass ich mit Harry Potter auftrete. 

 

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