Fünf Fragen an Kaja Andrea Otto Autorin von "Spiritual Feminist"
"Eine Frau, die zufrieden in ihrem Körper ist, ist in Frieden mit sich. Freie Frauen entscheiden selbst darüber, wie ihr Körper aussieht. Und vor allem erkennen sie, dass es viel wichtiger ist, wie er sich anfühlt. Es ist Zeit für die Befreiung des weiblichen Körpers – und jede Einzelne von uns kann Teil dieser Bewegung werden."
Du sagst, ein Feminismus, der Spiritualität nicht miteinschließt, greift zu kurz. Wieso?
Gesellschaft und Glaube können nicht unabhängig voneinander gedacht werden. Die Missionierung veränderte die Sicht auf die Welt und prägte unsere Geschichtsschreibung, denn im Gegensatz zu Spiritualität ist Religion immer patriarchal. Wer historisch gewachsene Strukturen aufbrechen will, darf nicht nur auf die Symptome zeigen, sondern muss verstehen, woher sie kommen und wer die Geschichte erzählt. Das Christentum wurde aus politischen Gründen zur offiziellen Staatsreligion erhoben. Und es ist aus machtpolitischen Gründen zu dem geworden, was es heute ist. Kirche und Staat sind schon immer eng miteinander verbunden gewesen – noch heute treibt der Staat die Steuer für die Kirche ein. Es ging dabei immer um Machtgewinn und Machterhalt. Mit der monotheistischen maskulinen Religion hatte das Patriarchat endlich die ideale spirituelle Sichtweise gefunden, um all sein Handeln wunderbar begründen zu können.
Ich habe für mich auch gemerkt, dass ich, solange ich Spiritualität als Aspekt des Feminismus ausblende, einen Teil meines Selbst ausblende – denn ob es uns gefällt oder nicht, wie bestehen eben nicht nur aus Kopf mit Logik und Ratio und Verstand, sondern auch aus Herz und Seele. Ausschließlich über die Verstandsebene kann ein gesellschaftlicher Wandel und eine tiefgreifende Transformation nicht stattfinden.
Ein Schwerpunkt von Spiritual Feminist ist das Thema Body Freedom. Welche Rolle spielt das Patriarchat im Bezug auf weibliche Körper?
Der weibliche Körper an sich ist schon ein Trigger für das Patriarchat. Erinnert er doch in seiner „Andersartigkeit“ immer wieder daran, dass Frauen etwas können, was Männer eben nicht können – schwanger sein und Kinder gebären. Jahrtausendelang wurde der weibliche Körper als würdevolles Portal geehrt, doch das war mit dem Bild des körperlich überlegenen Mannes nicht mehr zu vereinbaren. Daher wurde der natürliche Zustand der Nacktheit zunächst etwas zutiefst Beschämendes und dann etwas Hochsexualisiertes. War der Körper zuvor noch die Verkörperung der geachteten Göttin, so wurde er nun zur Repräsentation der verachteten Weiblichkeit. Die zufriedene Frau ist eine Gefahr für das Patriachart, daher wurde ihr eingeredet, sie sei mangelhaft, so dass all ihre Energie in die Beseitigung der Mängel fließt.
Wenn wir erkennen, woher all die Urteile und Unsicherheiten kommen, dann können wir sie ablegen und zufrieden im eigenen Körper werden. Dabei geht es nicht nur um die Optik, sondern auch um das Gefühl zu ihm und das Empfinden, in ihm zu sein. Eine Frau, die zufrieden in ihrem Körper ist, ist in Frieden mit sich. Und wenn wir aufhören, gegen uns und unseren Körper zu kämpfen, dann können wir die freiwerdende Kraft und die Ressourcen für eine bessere Zukunft einsetzen.
Welchen Einfluss hat die Geschichte auf das Thema „Frauen und Finanzen“
Da sie keinen Zugang zu ihrem oder zu einem Vermögen hatten, wirtschafteten Frauen in den letzten Jahrtausenden nicht, sie waren das Wirtschaftsgut, beziehungsweise die Investition. Was sich erst mal krass anhört, war für mich ein Schlüssel im Verständnis zu meinem schrägen Verhältnis zum Thema Geld. Und als mir klar wurde, was das bedeutete, schrieb ich mir den Satz noch mal auf: Frauen wirtschafteten nicht, sie waren das Wirtschaftsgut.
Eigentum hatten nur Alleinstehende – und dies ging oft mit einer großen Gefahr für die Frauen einher, denn sie wurden beispielsweise als Hexen verfolgt und verbrannt, so dass die Kirche sich ihren Besitz aneignen konnte. Viele von uns tragen daher noch ahnengeprägte Glaubensätze in sich, die Vermögen mit Gefahr assoziieren.
Das Buch beginnt mit einer Reise durch die Zeit. Wieso setzt du in der Vergangenheit an?
Wie wir die Welt sehen, ist geprägt durch die Geschichten, die uns über die Welt und damit auch über unsere Rolle erzählt werden. Viele der historischen Narrative haben wir über Generationen so verinnerlicht, dass wir sie selbst gar nicht mehr wahrnehmen und als gegeben nehmen. Wir können die Welt nur nachhaltig und langfristig verändern, wenn wir Strukturen durchschauen und Ursachen erkennen, um unser Handeln dann aktiv neu auszurichten. Und dazu gehört, die Perspektive zu verändern und die Rechte, Vorzüge und Ansprüche der Männer als das zu sehen, was sie sind: eine Idee, die sich nur durchgesetzt hat, weil sie lang genug wiederholt wurde. Wir gehen davon aus, dass manche Dinge „einfach so sind“. Doch was wäre, wenn das nicht wahr ist? Wenn Frauen nicht immer die „Heimchen am Herd" gewesen sind? Wenn es eine Zeit gab, in der Männer und Frauen und alle anderen Gender gleichberechtigt miteinander existierten? Ich wollte die Auswirkungen vom Sturz der Göttin und die Konsequenzen der Entstehung des Patriarchats aufzeigen – und wie beides miteinander zusammenhängt, auch wenn diese Ereignisse oft getrennt gedacht werden.
Wieso kann ein Umdenken auch den Verlauf der Klimakrise beinflussen?
Es ist essenziell zu begreifen, dass es eine enge Verknüpfung zwischen dem Patriarchat, dem Monotheismus, der Entstehung des Kapitalismus und der Unterordnung von Frauen und Natur als zu beherrschende Ressourcen gibt. Das patriarchale Denken mit dem toxisch maskulinen Handeln hat uns in die Klimakrise, das Artensterben und die Umweltverschmutzung getrieben. Immer kürzere Konsumzyklen und schnellebigere Trends sorgen für die Ausbeutung von Ressourcen, Menschen und des Planeten. Getreu der Dominanzidee: Der Mann beherrscht die Natur und damit hat er das Recht, sie nach seinen kurzfristigen Bedürfnissen zu formen. Sie muss ihm zur Verfügung stehen, ebenso wie die Frau. Die Natur und alles Nicht-Menschliche darf nach Gutdünken aufgeteilt, ausgebeutet und genutzt werden – bis die Bedürfnisse gestillt sind. Wohin das führt, sehen wir mittlerweile deutlicher denn je: erschöpfte Ökosysteme, erschöpfte Frauen, erschöpfte Seelen.
Eine gute Ahnin zu sein bedeutet zu erkennen, dass Feminismus mehr ist, als nur für die Rechte der Frauen zu kämpfen. Spiritueller Feminismus erkennt, dass wir unsere Seelen heilen müssen, bevor wir unsere Gesellschaft heilen und gesunden lassen können. Und unsere Seelen werden nur heilen, wenn die Natur heilt und gesundet. Denn wir Frauen sind verbunden mit dem Land. Leidet das Land, leidet die Erde, leiden wir. Noch versuchen wir, es mit Konsum zu kompensieren, doch wir werden diese Erschöpfung damit nicht beenden können.
(c) Arkana Verlag (Abdruck nur nach Rücksprache mit dem Verlag)
Mi Yong Neumann