Fragen an Jasmin Böhm zu ihrem Buch „Hallo Glück, dich gibt’s ja doch“
"Als mein Sohn hinten aus dem Anhänger zu mir nach vorne rief, dass er glücklich ist. Da rollten bei mir die Tränen vor Dankbarkeit."
Liebe Jasmin, Du hast dich getraut, wovon viele Menschen träumen: Du hast all deine Jobs gekündigt und bist mit deinem kleinen Sohn auf eine Reise aufgebrochen, um mehr Zeit mit ihm verbringen zu können. Ist dir die Entscheidung schwer gefallen?
Oh ja und wie. Es war ein jahrelanger Prozess. Als Alleinerziehende gab es in unserer kleinen Familie nur mein Einkommen und das reichte gerade so für unser Leben, aber nicht um noch etwas beiseite legen zu können. Ich hatte große Angst, nach der Reise ohne Geld vor dem Nichts zu stehen.
Inwiefern hat die gemeinsame Fahrradtour dein Verhältnis zu deinem Sohn verändert?
Da unsere Familie nur aus und beiden besteht, war unsere Beziehung immer sehr innig. Doch durch meine drei Jobs hatten wir kaum Zeit füreinander. Auf der Fahrradtour genossen wir die Zweisamkeit daher umso mehr. Ohne Stress und Zeitdruck konnte ich mich richtig auf ihn, seine Bedürfnisse und Fragen einlassen. Ich weiß noch, wie ich mich eines morgens fragte, wann er eigentlich das letzte Mal geweint hatte und konnte mich einfach nicht mehr daran erinnern.
Welche ist deine liebste Erinnerung an die Reise?
Als mein Sohn hinten aus dem Anhänger zu mir nach vorne rief, dass er glücklich ist. Da rollten bei mir die Tränen vor Dankbarkeit und ich wusste, dass ich mit der Kündigung und der Reise alles richtig gemacht habe.
Was ist die größte Herausforderung an einer Fahrradreise allein mit Kind?
Das Fahrrad, den Anhänger, das Gepäck und Kind wogen ca. 80kg, da kommt man schon häufig an seine körperlichen Grenzen, wenn man das Ganze kilometerweit die Berge hochschiebt. Natürlich steht die Sicherheit auch viel mehr im Fokus wenn man alleine mit Kind unterwegs ist, so mussten wir oft große Umwege fahren, um gefährliche Straßen zu vermeiden.
Deine eigene Mutter ist früh an Krebs gestorben und du hast sie bis zum Schluss begleitet. Wie hat diese Erfahrung dein Leben beeinflusst?
Sie sterben zu sehen, zu erfahren, was sie am Ende ihres Lebens bereut, das veränderte meine ganze Sicht auf die Welt. Bei jeder Entscheidung, in der mein Kopf mit meinem Herz diskutiert, erinnere ich mich daran, wie schnell alles vorbei sein kann, ignoriere die Angst und folge meinem Herzen.
Deine Reise war nicht nur eine äußere, sondern Du hattest auch viel Zeit zum Nachdenken und reflektierst auch im Buch deine Vergangenheit. Du sprichst darin auch offen über die häusliche Gewalt, die du erlebt hast und möchtest Betroffenen Mut machen, dass es Auswege gibt. Was ist deiner Erfahrung nach das Wichtigste, wenn man sich in einer solchen Situation wiederfindet?
Zu wissen, dass man nicht alleine ist und, dass es nicht die eigene Schuld ist. Es hat nichts mit Schwäche oder eigenen inneren Problemen zu tun, sondern kann jedem passieren. Die Zahlen sprechen für sich, doch die meisten schweigen aus Scham, weil die Schuld oft bei den Opfern gesucht wird. Durch Manipulation sind Betroffene häufig „süchtig“ und schaffen den Absprung erst nach vielen Anläufen. Freunde und Familie, die das begriffen und geduldig mit mir waren, halfen mir am meisten.
Gibt es einen Rat, den Du Alleinerziehenden gerne mitgeben würdest oder etwas, was du selbst gerne früher gewusst hättest?
Alles wird gut, folgt weiter euren Träumen, sie sind auch ohne Partner:in zu erreichen. Es hört sich vielleicht banal an, aber als ich alleine mit meinem Sohn im Wochenbett lag, später nur noch Familien mit zwei Elternteilen um mich herum sah, konnte ich mir einfach nicht vorstellen, dass ich mich je vollkommen und das Alleinerziehendsein toll finden könnte. Doch es ist möglich! Heute bin ich froh, dass alles so kam und wir heute so ein schönes Leben führen. Dass das als Alleinerziehende ohne finanzielle Rücklagen überhaupt möglich ist, hätte ich damals nie für möglich gehalten.
Auch auf deinem Instagram Kanal @_jasmin_boehm_fällt auf, dass Du eine große Zuversicht ausstrahlst und auch schwierigen Situationen im Vertrauen, sie bewältigen zu können, begegnest. Wie ist es dir gelungen, mit dieser Haltung durchs Leben zu gehen?
Natürlich muss man dazu sagen, dass ich als weiße aus Deutschland kommende Person privilegiert bin. Zudem habe ich bereits so viele schwierige Phasen in meinem Leben gemeistert, dass ich heute das Gefühl habe, dass alles irgendwie immer gut wird. Ich lebe völlig im Moment, habe sehr viel Sicherheit aufgeben müssen, aber dafür viel Freiheit gewonnen. Manchmal kann man Situationen ändern und manchmal nur die Sichtweise. Für mich ist es eine Kombination aus Zuversicht, einem starken Willen und Geduld. Und letztendlich besinne ich mich immer wieder wie banal viele der schwierigen Situationen doch sind und wie gut es mir doch im Allgemeinen geht.
(c) Kailash Verlag (Abdruck nur nach Rücksprache mit dem Verlag)
Mi Yong Neumann