Nach dem überwältigenden Erfolg Ihrer ersten zwei Bücher „Großer Panda und Kleiner Drache“ und „Die Reise“ stehen im Mittelpunkt Ihres dritten illustrierten Werks nicht mehr Panda und Drache, sondern eine Katze. Haben Sie zu Katzen eine besondere Beziehung?
Ich habe mich für andere Figuren als Panda und Drache entschieden, um die von mir erschaffene Welt zu erweitern. Je mehr Figuren ich der Welt hinzufüge, desto mehr Themen kann ich ansprechen. In „Die Katze, die nach Weisheit sucht“ bereitet beispielsweise einem Tiger seine Wut Probleme. Großer Panda und Kleiner Drache eignen sich als Figuren nicht besonders gut, um Wut zu thematisieren, und keiner von ihnen neigt zu Wutanfällen.
Ich habe mich für eine Katze entschieden, zum einen, weil ich finde, dass Katzen eine seltsame Ruhe und Weisheit ausstrahlen, die an einen Zen-Schüler erinnert, aber auch, weil ich sie wirklich mag. Ich habe selbst fünf Katzen und kümmere mich darüber hinaus um streunende Katzen und Kätzchen für eine örtliche Katzenhilfsorganisation.
Die Katze begibt sich auf die Suche nach einer alten Kiefer, von der es heißt, man finde in ihren Ästen unermesslichen Frieden und tiefe Erkenntnis. Dabei beschreiben Sie die spirituelle Reise der Katze auf Ihre ganz eigene Art: indem Sie kurze Texte mit Illustrationen verbinden. Was hat Sie zu dieser Erzählweise inspiriert?
Ursprünglich wollte ich in dem Buch einzelne Neuinterpretationen einiger traditioneller Zen-Geschichten veröffentlichen, aber mit der Zeit entdeckte ich, dass sich die Geschichten zu einer einzigen Erzählung verbinden lassen. Ich fügte auch einige Geschichten aus eigener Feder hinzu und wob sie in das Buch ein. Ich bin der Meinung, dass die Illustrationen dem Buch eine ganz andere Wirkung geben, als würde das Buch nur aus Worten bestehen. Während sich die Lesenden an den Bildern erfreuen, verlangsamt sich ihr Tempo, so dass sie besser in die Geschichte eintauchen können.
Auf ihrem Weg begegnet die Katze zahlreichen Tieren: einem Hasen, einer Krähe, einem Wolfsjungen, einem Affen, einer Schildkröte, einem Tiger und ganz zuletzt einer kleinen Gefährtin, die ihr völlig unerwartet offenbart, worin Weisheit wirklich besteht. Welche Rolle spielt für Sie der Zufall bei einer spirituellen Reise?
Ich denke, der Zufall ist sehr wichtig. Das Universum schickt uns alle möglichen Dinge über den Weg, und wenn wir uns am richtigen Punkt der Reise befinden, erkennen wir diese (oft unerwünschten) Geschenke als Auslöser für Veränderungen. Ich persönlich habe die Erfahrung gemacht, dass es gerade die schmerzhaften Dinge sind, die uns zwingen, uns spirituell weiterzuentwickeln. Wenn alles in Ordnung ist, gibt es für uns keinen Anreiz, nach innen zu schauen und die notwendigen Veränderungen anzugehen.
Welche Botschaft aus Ihrem Buch würden Sie den Leser*innen gern mitgeben?
Mir gefällt der Gedanke, dass wir nie wissen, was auf lange Sicht gut für uns ist. Manchmal kann etwas, das wir überhaupt nicht wollen, am Ende das sein, was wir am meisten brauchen – und das, was uns letztlich mehr Glück und Erfüllung bringt. Ich finde diese Vorstellung sehr kraftvoll, denn das heißt, dass wir viel besser in der Lage sind, mit all den Schwierigkeiten umzugehen, die uns das Leben beschert, wenn wir beginnen, in ihnen getarnte Helfer zu sehen, statt sie als etwas Schlechtes zu betrachten.
Man muss vielleicht klein anfangen, mit geringfügigen Ärgernissen usw., aber je mehr wir üben, desto eher sind wir in der Lage, größere Probleme mit dem Gedanken anzugehen: „Vielleicht ist es genau das, was ich brauche, um zu wachsen“.
Interview: Elke Kreil, © Wunderraum Verlag