Aktuelles | 16.09.2022 | C. Bertelsmann

»Diese Vronis sind die heimlichen Heldinnen einer freien Gesellschaft.« – Interview mit Susanne Betz

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Die Autorin spricht über ihren neuen Roman »Heumahd« und die Inspiration für ihre Protagonistin Vroni.

Ein bildmächtiger Roman über eine inspirierende Freundschaft

Inspiriert vom Gemälde Bauernmädchen mit weißem Kopftuch des bedeutendsten Malers des deutschen Realismus, Wilhelm Leibl, entwirft  Susanne Betz in »Heumahd« die mitreißende Geschichte einer trotzigen jungen Frau, die sich gegen alle Widerstände zu behaupten weiß.

Halbporträt einer jungen Frau mit weißem Kopftuch

Wilhelm Leibl, Bauernmädchen mit weißem Kopftuch, Öl auf Leinwand, 1876

„Heumahd“ folgt in seinen Beschreibungen des bäuerlichen Lebens dem Rhythmus der Heuernte im Jahreslauf. Fehlt uns Ihrer Meinung nach heutzutage eine solche von der Natur vorgegebene Lebensweise?

Der Rhythmus der vier Jahreszeiten hat in unseren Breitengraden ja immer eine feste Struktur für die Arbeit der Bauern, aber auch ihre Feste vorgegeben. Das gibt Halt, das kann ein persönlicher  Kompass sein, der einen zu einer inneren Heimat und Geborgenheit weist.

Ich glaube, deswegen sehnen sich gerade jetzt in Krisenzeiten vor allem Stadtmenschen, die den Himmel und den Laubwechsel zwischen U-Bahn-Fahrten, Büro und Fitnessstudio kaum noch mitbekommen, sehr danach, in der Natur zu sich zu kommen. Je mehr wir die Natur und ihre Gesetze kennen und respektieren, desto mehr gehen wir vielleicht auch behutsamer mit ihr um.

Neben Vroni Grasegger spielt das Karwendelgebirge eine tragende Rolle in ihrem Roman. Ist es für sie eine weitere Hauptfigur?

Das Karwendel ist fast eine eigenständige Person. Ein stummer Beobachter, mit dem Vroni sich unbewusst austauscht. Der Berg spiegelt ihre Befindlichkeit wieder, die sie selbst gar nicht in Worte zu fassen wagt. Tatsächlich zeigen sich die Felswände, Kare und Spitzen je nach Lichteinfall oder Niederschlag fast alle paar Minuten anders: leicht und zart wie hellblaue Seide, dann wieder dumpf und schwer, manchmal sehr, sehr nah, dann wieder entrückt.

Von den realen Orten Krün, Mittenwald oder Scharnitz kann man das sehr gut sehen, vor allem das wirklich fantastische sogenannte Alpenglühen, dann brennt der Berg orange und pink.

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Heumahd

Susanne Betz

Ihre Protagonistin Vroni bricht immer wieder aus der ihr zugedachten Rolle in einem sehr traditionsgetriebenen Leben aus. Haben Sie dabei auf reale Vorbilder zurückgegriffen?

Vronis gab es zum Glück schon immer. Frauen, die in enge Rollen gepresst waren, dann aber Schritt für Schritt eigene Wege gegangen sind. Auch wenn sie dabei innerliche und äußerliche Wunden davongetragen haben. Diese Vronis sind die heimlichen Heldinnen einer freien Gesellschaft.

Heute scheint das alles einfacher. Aber auch zu viel Freiheit kann schwierig sein und orientierungslos machen, auch das muss Vroni erkennen. Um nicht zu scheitern, muss Sie deshalb einen für sie gangbaren Weg finden, ihrem Freiheitsdrang gerecht zu werden, und trotzdem mit der Gesellschaft statt gegen sie zu leben. Diese Balance im Leben beschäftigt, glaube ich, viele Frauen.

Was ist Ihnen von ihrer Recherche am eindrücklichsten im Gedächtnis geblieben?

Ich musste lernen mit der Sense zu mähen, damit ich darüber schreiben konnte. Und das auch noch an einem steilen Hang. Mein Rücken schmerzte schon nach einer halben Stunde, dazu unzählige Mückenstiche. Das Ziehen in der Schulter musste mir mein Mann wegmassieren.

Aber der Duft der aufsteigt, wenn das Gras und die Blumen unter der Sonne trocknen, der ist einfach fantastisch. Nichts riecht so sinnlich! Diesen Duft habe ich auch noch im Winter in der Nase und im Herzen. 

Autorin Susanne Betz

»Ich liebe das Goldene Landl, wie die Region von Mittenwald im Süden bis Farchant im Norden früher genannt wurde, seit meiner Kindheit und bin dort  häufig und bei jeder Witterung in der Natur unterwegs.
Dass ich das Gemälde Bauernmädchen mit weißem Kopftuch von Wilhelm Leibl in Zusammenhang mit gerade dieser Alpenlandschaft brachte, geschah zufällig. Aber die Idee von einer trotzigen jungen Frau, die im Rhythmus der Jahreszeiten und im Kampf mit den Naturgewalten einen einsamen Hof bewirtschaftet, hatte für mich etwas Verlockendes.«

»Heumad«: Ein packendes Zeit- und Sittenporträt voller opulenter Naturbeschreibungen

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