Die Autoren von »Glücklich als Paar, glücklich als Familie« im Interview
Dr. Ludwig Spätling und Helmut Flecks vereinen Expertenwissen aus verschiedensten Fachrichtungen, von Psychologie bis Juristerei, um Familien Hilfestellungen an die Hand zu geben.
Prof. Dr. Ludwig Spätling und Helmut Flecks zeigen in ihrem Alltagserprobten Ratgeber, wie Familien und Paare ihre Liebe und ihre Verbindungen stärken, sich Freiheiten lassen und dennoch eine Einheit bilden
Können Sie sich beide kurz vorstellen?
Ludwig Spätling: Mein Name ist Ludwig Spätling. Ich bin Professor für Geburtshilfe und Frauenheilkunde. Nach Stationen in Marburg, Zürich und Bochum mit viel Forschung habe ich bis 2014 die Frauenklinik in Fulda geleitet. Um jungen Familien wichtiges Wissen zu vermitteln, habe ich vor über 20 Jahren die Familienschule Fulda und die Deutsche Familienstiftung gegründet.
Helmut Flecks: Mein Name ist Helmut Flecks, ich bin Psychotherapeut und Coach. Nach vielen Jahren stationärer Tätigkeit habe ich seit 1996 in Fulda eine Praxis. Im Team bieten wir Einzel- und Paartherapien an. Auch mit meiner Frau Katja habe ich Seminare für Paare entwickelt und durchgeführt. In der aktuellen Pandemie-Situation bieten wir diese allerdings nicht an.
Wie kam es zu Ihrer Zusammenarbeit?
LS: Um eine gute Partnerschaft zu leben und Kindern eine gute Entwicklung zu ermöglichen, ist viel Wissen nötig, das in unserer Gesellschaft kaum vermittelt wird. Da besonders junge Paare sehr optimistisch sind und wenig Zeit haben, einen Partnerschaftskurs zu besuchen, wollte ich eine Abendveranstaltung auf die Beine stellen, in der das wichtigste Wissen so präsentiert wird, dass man es nicht mehr vergisst. Und so habe ich das Psychologen-Ehepaar Katja und Helmut Flecks gefragt, deren Schwerpunkt die Paartherapie ist, ob sie dabei nicht mitmachen wollen. Aus dieser Zusammenarbeit ist nun ein Buch entstanden.
Wer sollte Ihr Buch lesen?
LS: Möglichst alle! Für jeden, der nicht allein leben will, hält das Buch viel Wissen bereit, das hilft, eine Partnerschaft jedweder Ausgestaltung besser zu leben. Es wäre schön, wenn es insbesondere die Paare lesen würden, die ihre Partnerschaft gerade planen. Am Anfang werden die Weichen für eine glückliche Partnerschaft gestellt. Am Anfang besteht die gute Möglichkeit, sich einig zu werden über gemeinsame Ziele, ob und wann Kinder dazu kommen sollen, wer wann in Elternzeit geht, wie das Finanzielle geregelt werden soll etc.. Hier beugt Reden späteren Konflikten vor.
Welche drei Top-Ratschläge haben Sie für Paare und Familien, um glücklich zu werden oder es zu bleiben?
LS: Liebe ist ein Geschenk, an dem man immer arbeiten muss, um es zu erhalten. Achtung und Toleranz sind dafür wesentliche Elemente.
HF: Partnerschaft entwickelt sich in der Auseinandersetzung. Hierfür sind emotionale sowie körperliche Hingabe und vollständige Kommunikation die wesentlichen Komponenten.
Warum ist vollkommene Harmonie selbst in einer gut funktionierenden Partnerschaft eine Illusion?
HF: Weil vollkommene Harmonie, sollte es sie denn tatsächlich geben, Entwicklungsstillstand bedeuten würde. Wir nennen das „gemütliches Elend“.
Warum wäre es falsch, wenn frau/man vom Partner nichts erwartet?
HF: Partnerschaft ohne Erwartung an den Anderen ist nicht möglich. Wenn wir unsere Erwartungen nicht mitteilen, wissen die Anderen nicht , was sie liefern sollen. Orientierungslosigkeit und Enttäuschung sind die Folge
Sie schreiben, dass jede Beziehung ihre sog. „Pain Points“ hat, können Sie Beispiele dafür nennen und auch sagen, wie Paare damit umgehen sollten?
LS: Es gibt immer Punkte, an die der Partner:in nicht erinnert werden möchte, die verletzen oder kränken. Hier muss man lernen, „in die Schleife zu sprechen“, wie ich gern sage. „Erst denken, dann reden“ hilft, Verletzungen so gering wie möglich zu halten.
HF: „Pain Points“ sind in der Partnerschaftsentwicklung nicht zu verhindern. Wichtig ist, Verletzungen nicht zu verleugnen und das, was geschehen ist, von beiden Seiten anzuerkennen. Manchmal ist Ausgleich für ein nicht-partnerschaftliches Verhalten sinnvoll. Wichtig ist, das Erlebte als Erkenntnisgewinn zu werten und anzuerkennen, was nicht für die Partnerschaft funktioniert.
Was fällt Ihnen ein zu den Worten „IMMER, NIE, STÄNDIG, DAUERND“?
HF: Mit Absolutismus signalisieren wir einen Kampfmodus. Wir beziehen eine Extremposition und Verurteilen damit quasi den Anderen oder uns selbst. Das verhindert eine konstruktive Auseinandersetzung.
Warum leiden Familien von heute scheinbar unter einer höheren Belastung als früher?
LS: Vor Jahren war die Familie noch patriarchalisch strukturiert, damit waren viele Entscheidungen relativ einfach. Das hat sich glücklicherweise geändert. Heute muss zum Wohle des „Kleinunternehmens Familie“ mit dem Wissen beider Partner der richtige Weg in einer zunehmend komplexeren Welt gefunden werden. Das kann schon belastend sein.
HF: Die Gesellschaft ist im Wandel. Teil dieses Wandels ist ein verändertes Geschlechterrollen-Verständnis, dafür gibt es in der Generationsfolge noch keine Vorbilder. Dies bringt auch in Familie und Partnerschaft neue Herausforderungen mit sich. Ich würde es als Veränderung nicht als höhere Belastung beschreiben. Um auf diese Veränderung sinnvoll zu reagieren, empfehlen wir unser Buch.
Warum achtet unsere Gesellschaft so sehr auf das Verhalten von Müttern? Warum kann es die Mutter anscheinend niemand recht machen?
LS: Kinder haben in den meisten Familien einen hohen Stellenwert. Und alle meinen mitreden zu müssen. Da immer noch Mütter die meiste Erziehungsarbeit schultern, haben sie sich auch mit den meisten Ratschlägen auseinanderzusetzen. Wir raten zu mehr „Bauchgefühl“, Selbstbewusstsein und Konstanz.
Sie geben in Ihrem Buch auch Tipps für die Handhabung finanzieller Aspekte bei Paaren. Könnten Sie einen guten Tipp schon hier geben?
LS: Für mich ist wichtig, dass unabhängig von der Berufstätigkeit jeder sein persönliches Konto hat, aus dem Persönliches finanziert wird. Gemeinsam sollte man überlegen, mit wieviel Geld das gemeinsame Haushaltskonto bestückt wird und wieviel man für größere Anschaffungen, Urlaub etc. auf einem Sparkonto parkt. Schon allein die gemeinsame Planung bereichert die Beziehung.
HF: Aus meiner Sicht ist es das Wichtigste, offen über Geld zu sprechen. Häufig gibt es in der Herkunftsfamilie der Partner:innen offene oder verdeckte Konflikte im Umgang mit Geld, welche diese Offenheit erschweren. Wir haben im Buch zwei mögliche Modelle beschrieben, die als Anregung dienen.
Warum hat Geld so ein hohes Konfliktpotential auch wenn man sich liebt?
LS: Eigenes Geld – und wenn es nur ein wenig ist – bedeutet in gewissem Maße Freiheit, die besonders die emanzipierte Partnerin nach dem Ende des Patriarchats auch in der Partnerschaft beansprucht. Selbst wenn Männer oft immer noch mehr verdienen als Frauen, müssen beide gleichberechtigt die größeren finanziellen Entscheidungen treffen. Und für kleine Anschaffungen, z. B. eine Tasse Cappuccino, möchte man sich nicht rechtfertigen müssen. Wird die Freiheit zu stark eingeschränkt, kann auch die große Liebe leiden.
HF: Geld hat Symbolcharakter, der durch die Zählbarkeit leicht objektivierbar scheint. Macht, Gerechtigkeit, Abhängigkeit etc. werden hier oft mit transportiert und hineininterpretiert. Zudem ist Geld immer noch ein gesellschaftliches Tabuthema, was die Orientierung an Modellen in Partnerschaft und Familie erschwert.
(© Julia Meyn für den Goldmann Sachbuch Modernes Leben (TB) Verlag)
»Glücklich als Paar, glücklich als Familie. Gemeinsame Werte definieren, Individualität zulassen, Liebe stärken.«
»Glücklich als Paar, glücklich als Familie. Gemeinsame Werte definieren, Individualität zulassen, Liebe stärken.«
Isabelle Ihrke-Brossier