Aktuelles | 03.01.2024 | Siedler

Der Siedler Verlag trauert um seinen Autor Wolfgang Schäuble

Wolfgang Schäuble im Gespräch

Er war neugierig und intellektuell hellwach, präzise und fordernd. Wolfgang Schäuble machte es sich selbst nie leicht - und auch anderen nicht. Etwa bei den Vorgesprächen zu seinem Buch »Grenzerfahrungen«, das schließlich 2021 bei Siedler erschien. Ich war hochzufrieden mit dem bislang vorgelegten Text, ihm aber reichte es keineswegs, seine Gedanken über die Herausforderungen nach der Pandemie in Form von sieben geschliffenen Essays zu veröffentlichen. Nein, er wollte seine Thesen dazu noch in Gesprächen mit sieben Persönlichkeiten aus ganz Europa zur Diskussion stellen. Diese Gespräche mussten eigens für dieses Buch organisiert werden. Sie wurden teilweise aus dem Englischen übersetzt und waren am Ende Bestandteil des Buches. Die Mühen haben sich gelohnt. »Grenzerfahrungen« wurde sein letztes Buch zu Lebzeiten und von Kritikern wie Publikum gleichermaßen gefeiert. Der SPIEGEL nannte es sein »intellektuelles Vermächtnis«.

Alle seine vorherigen Bücher wurden in Penguin Random House Verlagen veröffentlicht, darunter 1991 »Der Vertrag. Wie ich über die deutsche Einheit verhandelte« bei der DVA, später »Und der Zukunft zugewandt« (1994) bei Siedler und »Scheitert der Westen? Deutschland und die neue Weltordnung« (2003) bei C.Bertelsmann.

Kaum jemand hat die deutsche Politik der letzten vierzig Jahre so geprägt wie er, zuletzt als Bundestagspräsident und dienstältester Abgeordneter. Seine Verdienste um die vertragliche Ausgestaltung der deutschen Einheit oder die Stabilität des Euro sind herausragend. Nur die allerhöchsten Positionen in Regierung und Staat blieben ihm verwehrt. Er konnte auf eine außergewöhnliche Lebensleistung zurückblicken, und seine politischen wie persönlichen Grenzerfahrungen, vor allem das verheerende Attentat und sein Kampf zurück ins Leben im Rollstuhl, verliehen ihm im persönlichen Gespräch eine besondere Autorität. Er konnte es nicht leiden, wenn man ihn kritiklos bewunderte und liebte es, mit seinem Gesprächspartner zu frotzeln, wenn er ihn respektierte. As Elder Statesman fand seine Stimme in allen politischen Lagern Gehör. Es war eine Ehre und eine Freude, mit ihm zusammenzuarbeiten. Wir werden seine Klugheit, seine Zuversicht, seine Leidenschaft und seinen trockenen Humor vermissen.

Jens Dehning, Programmleitung Geschichte und Gesellschaft

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