Der Siedler Verlag trauert um seinen Autor Michail Gorbatschow
Der ehemalige sowjetische Staatspräsident und Friedensnobelpreisträger Michail Gorbatschow ist am 30. August im Alter von 91 Jahren gestorben.
Michail Gorbatschow war einer der letzten großen Staatsmänner des 20. Jahrhunderts, seine Verdienste um die Beendigung des Kalten Krieges, die deutsche Einheit und den Frieden sind unermesslich. Dass ausgerechnet er, der stets auf Dialog und Verständigung gesetzt hat, uns in dieser Zeit, in der Russland einen Angriffskrieg mitten in Europa führt, verlässt, ist eine bittere Pointe. Denn er war nicht zuletzt ein Freund der Deutschen, seine persönlichen Bindungen zu diesem Land blieben bis zum Schluss äußerst eng. Und als Autor war er dem Siedler Verlag auf besondere Weise verbunden - seine Memoiren erschienen 1995 in diesem Haus, damals ein publizistisches Großereignis. Knapp 25 Jahre später publizierte er seine Streitschrift »Was jetzt auf dem Spiel steht« – ebenfalls bei Siedler. Es sollte sein letztes Buch werden, ein zorniges, kluges, ja fast hellsichtiges Buch über die gefährliche Unordnung der Welt und zugleich ein leidenschaftlicher Aufruf für Frieden und Freiheit.
Das Buch erschien zuerst auf Deutsch (später in vielen anderen Sprachen), und als sein deutscher Lektor hatte ich die Ehre, ihn 2019 in Moskau zur Redaktionssitzung treffen. Er saß im Rollstuhl, sichtbar von seiner Krankheit gezeichnet, und war doch hellwach, glücklich, den Besucher aus Bayern - seiner deutschen Lieblingsregion – begrüßen zu können. Es wurde ein lebhaftes Gespräch über das heutige Russland, die Mühen des Autorendaseins – vor allem aber über die Lehren aus der Geschichte. Unvergesslich, wie er mir, eine gefühlte Ewigkeit meine Hand schüttelnd, zum Abschied auftrug, dass wir Deutschen niemals vergessen dürften, was wir im Zweiten Weltkrieg den Völkern der Sowjetunion angetan haben.
Wir werden seine Leidenschaft und seine Klugheit sehr vermissen.
Jens Dehning
Heidrun Gebhardt