Gibt es eine Passage in diesem Text, die für Sie persönlich besonders bedeutend oder berührend war?
Das waren die Passagen, die sich mit dem Aufenthalt und mit den letzten Jahren seiner Mutter in dem Altenheim beschäftigt haben. Ich selber habe mich bis zum Tod meiner Mutter vor einem guten Jahr auch sehr intensiv um sie gekümmert. Und ich weiß, wie kompliziert erstmal der Umzug in ein Altenheim für meine Mutter, wie für die Mutter von Eribon, war. Ich hatte im Gegensatz zu Eribon das Bedürfnis, mich in dieser komplizierten Phase, die mehrere Monate gedauert hat, tatsächlich täglich um meine Mutter zu kümmern. Was auch dadurch möglich wurde, dass meine Wohnung und das Altenheim nah beieinander lagen. Also war es natürlich für mich bewegend, das zu lesen. Und ich habe mich immer wieder beim Lesen auch an meine Mutter erinnert.
Liegt in Ihren Augen eine besondere Botschaft, ein besonderes Anliegen in Didier Eribons neuem Werk?
Natürlich! Es ist die Botschaft, ich zitiere ihn wörtlich, "den Alten eine Stimme zu geben". Den Alten, die noch selber sprechen können, aber auch den Alten, die selber nicht mehr sprechen können, weil ihre physischen, weil ihre kognitiven Fähigkeiten so sind, dass sie das nicht mehr können. Es ist ja immer noch so, dass die Pflegekräfte einen sehr schweren Job haben und zu schlecht bezahlt sind. Darunter leidet of der Umgang mit den Patienten. Ja, das ist ganz sicher die große, intensiv vorgetragene Botschaft und das Anliegen von diesem Buch, sich mehr zu kümmern. Auch als Verwandter. Eribon sagt, er hat da ein schlechtes Gewissen, er habe sich zu wenig gekümmert. Ich habe dieses schlechte Gewissen, bezogen auf meine Mutter, nicht – was ein Privileg ist. Die Gesellschaft und die Politik mögen sich bitte mehr um die Alten und die Pflegebedürftigen kümmern.
Wie können wir aus Ihrer Sicht das Bewusstsein für die Bedürfnisse älterer Menschen in unserer Gesellschaft stärken?
Ich spreche jetzt mal kurz als Schauspieler, sowohl im Film wie im Theater. Gerade neulich wurde erst von Kolleginnen beklagt, dass viele Schauspielerinnen ab 50 nahezu unsichtbar werden, weil man glaubt, dass die Fernsehzuschauerinnen und -Zuschauer nur junge Menschen auf dem Bildschirm sehen wollen. Ich halte das für eine Mär. Die ganze Gesellschaft wird älter, Deutschland wird älter, das Durchschnittsalter wird höher. Und es gibt in den Künsten, im Film, im Fernsehen und ein bisschen auch im Theater die Tendenz, die Älteren nicht mehr so vorkommen zu lassen, wie sie das verdienen. Auch in den Ensembles an Theatern gibt es die Tendenz, die älteren Rollen durch jüngere Schauspielerinnen und Schauspieler zu besetzen. Ich habe jetzt mal sehr aus meiner Warte des Schauspielers gesprochen. Aber natürlich muss es ein allgemeines politisches Bewusstsein darüber hinaus geben, die älteren und alten Menschen mehr in den Blickpunkt zu rücken.
[Gerne können Sie das Interview oder Passagen daraus im Rahmen einer Besprechung des Hörbuchs verwenden.]