Aktuelles | 24.08.2023 | Blessing

Debütantin Nilufar K. Khozani im Interview über "Terafik"

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Die Berliner Autorin erzählt vom Entstehen ihres ersten Romans.

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Cover

Im Zentrum der Handlung von „Terafik“ steht Nilufars Reise nach Iran. Können Sie beschreiben, warum diese Reise für sie so prägend ist?

Nilufar kennt Iran nur aus Erzählungen: Ein Ort, über den viele Vorstellungen existieren, und der ihr, wie den meisten Menschen in Deutschland, sehr verschlossen ist. Jedoch kennt sie auch die blumigen Erzählungen ihres Vaters, zu dem sie ein distanziertes Verhältnis hat. Sie ist einerseits sehr neugierig, andererseits ist es auch ein Aufbruch in eine Welt, die ihr absolut fremd ist. Dennoch wagt sie es nach langem Zögern, da sie in ihrem bisherigen Leben ebenfalls ein Gefühl von Fremdheit mit sich herumträgt, das sie nicht einordnen kann. Die Reise ist für sie ein Versuch, so etwas wie eine Heimat zu finden, die sie nie spüren konnte.

Die Autorin Nilufar Karkhiran Khozani schreibt einen Roman, deren Ich-Erzählerin genauso heißt. Wie nah sind sich die Protagonistin Nilufar und Nilufar als Autorin?

Ich habe tatsächlich manchmal das Gefühl, dass diese Geschichte irgendwie schon existierte und meine Rolle als Autorin darin bestand, sie hervorzubringen. Es gibt bewusst keine Figur, die den Leser*innen eine fremde Welt zeigen will. Würde ich eine Erzählerin erfinden, die über all die Protagonist*innen genau Bescheid weiß oder zumindest irgendeinen Überblick hat, müsste ich Expertin für all diese Leben sein, die mir ja eigentlich fremd sind. Diese Unzulänglichkeit des Romans fand ich gerade interessant und konnte sie durch das autofiktionale Erzählen am besten offenlegen. Durch die autofiktionale Erzählperspektive konnte ich mir erlauben, in gewisser Weise unzuverlässig zu bleiben, ohne Gefahr zu laufen, als Sprachrohr auftreten zu müssen.

Dann ist da noch meine persönliche Entwicklung als Autorin. Ich habe fast mein ganzes Leben lang damit gehadert, in den Themen, die mich beschäftigt haben, ein literarisches Potenzial zu erkennen. Meistens kamen mir diese Themen zu banal vor. Ich bin nicht aufgewachsen mit Literatur von Menschen, die ähnliche Erfahrungen wie ich gemacht haben, sondern habe mich an Geschichten orientiert, deren Figuren sehr weit weg von mir waren. Ich habe eine Weile gebraucht, um genug Selbstvertrauen zu haben und zu wissen: Ich darf so schreiben und mich damit sogar an manche Genregrenze heranwagen.

Teheran ist im Roman fast ein eigener Charakter. Aber auch deutsche Städte wie Gießen, Frankfurt, Berlin spielen eine Rolle. Wie haben Sie sich diesen Orten genähert und welche Bedeutung haben sie jeweils für die Protagonistin?

Ich selbst verbinde mit den Orten unterschiedliche Dinge und Gefühle. Das habe ich versucht, im Roman entsprechend zu setzen, ohne die Geschichte zu sehr an die Orte zu koppeln. Im Zentrum der Geschichte steht Nilufars Beziehung zu ihrem Vater. Berlin und Teheran spiegeln die unterschiedlichen Welten der Protagonist*innen und auch deren Distanz zueinander wider. Gießen ist die Geburtsstadt von Nilufar, die jedoch nicht die Geborgenheit vermittelt, die viele mit dem Ort ihrer Herkunft verbinden. Nilufar findet diese Stadt öde und trist. Berlin ist zu Nilufars Zufluchtsort geworden, dort ist sie eine von vielen, die ein bisschen ‚lost‘ durch die Anonymität wandern, ohne richtig anzukommen.

Teheran ist vielleicht eine der widersprüchlichsten Städte, die ich persönlich je kennengelernt habe. Die Stadt hat mich aus diesem Grund als Motiv interessiert, welches die Geschichte dieser Familie untermalt. Teheran ist für die Protagonistin Nilufar kaum zu erfassen: Tief berührende Eindrücke und Begegnungen finden hier statt, aber gleichzeitig ist Nilufar von alldem völlig überfordert. Sie ist gleichzeitig abgestoßen und angezogen von der Welt, die sie dort vorfindet, und versucht, in all dem Chaos eine Beziehung zu ihrer Familie aufzubauen.

Was verstehen Sie unter Heimat?

Heimat ist für mich ein Gefühl, vielleicht auch eine tiefe Verbindung zu einem Ort, einem Zuhause. Manchmal finde ich es schade, dass es nicht diesen einen Ort für mich gibt. Vielleicht habe ich das mal für eine Weile, aber eigentlich ist mein Zuhause das Unterwegssein.

Schreiben ist für mich:

Realitätsflucht klingt etwas abgedroschen. Ich würde eher Realitätserweiterung sagen. Worte zu finden für das, was ich wahrnehme, gibt mir Sicherheit. Manchmal ist es auch eine Möglichkeit, Dingen, die schwer zu begreifen sind, einen Sinn zu verleihen. Ich fand es oft schwierig, das ausdrücken zu können, was ich wollte, weil es im Alltag so viele Konventionen gibt, wie man etwas sagt oder sich verhält, oder sogar, wie Literatur zu sein hat. Ich habe gemerkt, dass sich im Schreiben diese Grenzen verschieben lassen und dass ich eine eigene Stimme haben kann. Schreiben gibt mir die Freiheit zu sagen: Es ist alles erlaubt.

 

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Carina Stransky

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