Aktuelles | 08.07.2024 | der Hörverlag, Penguin

"Das Einhörnchen ...": Walter Moers und Andreas Fröhlich im Interview

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In unserem Interview spricht Walter Moers über sein neues Zamonienwerk, während Andreas Fröhlich im Studiogespräch von den Freuden und Herausforderungen beim Einlesen des Textes erzählt.

Walter Moers' neuer Roman erscheint am 04.09.2024 als Buch im Penguin Verlag und als Hörbuch, gelesen von Andreas Fröhlich, beim Hörverlag.

Die zwanzig "Flabeln" sind eine humorvolle Reise nach Zamonien zu Tieren und ihren allzu menschlichen Problemen.

 

Interview mit Walter Moers

Lieber Herr Moers, Ihr neues Buch „Das Einhörnchen, das rückwärts leben wollte“ versammelt „Zwanzig zamonische Flabeln“. Was ist das, eine Flabel?
Die Lachfabel, abgekürzt „Flabel“ genannt ist der Definition des Regelwerks der zamonischen Literatur zufolge eine humorvolle Kurzgeschichte mit zamonischen Daseinsformen, die mindestens sieben Schmunzler, drei Lacher und ein Scherzfinale enthalten sollte. Auch dass sie ohne jegliche Moral auskommt, unterscheidet sie von der altmodischen Fabel.

 

Warum ist – laut Ihrem Nachwort – „Humor ein ernstes Geschäft“ ? 
Das habe ich im Nachwort ausführlich erklärt. Verkürzt könnte man sagen, dass die sogenannte „ernsthafte Literatur“ maßlos überschätzt wird. Aus eigener Erfahrung kann ich behaupten, dass es relativ einfach ist, eine tragische Geschichte zu schreiben. Aber erfinden sie mal einen wirklich guten Witz! Geschweige denn eine Flabel mit sieben Schmunzlern, drei Lachern und einem fulminanten Scherzfinale. Das ist harte Arbeit, da vergeht einem das Lachen.

 

Dem Humor ist auch die Ausstellung „Was gibt’s denn da zu lachen?“ gewidmet, die ab September Ihr Werk in Oberhausen, danach in Frankfurt präsentiert. Was erwartet uns dort? Wie kommt es zu so einer Humor-Offensive in tristen Zeiten?
Ich bin ja eigentlich mehr für meine spröden und schwermütigen Romane bekannt, da habe ich gedacht: "Jetzt mach dich mal locker! Versuchs mal mit ein bisschen Humor!"
Ernsthaft: Die Ausstellungsmacherin hat sich - nicht ganz zu Unrecht - gedacht, dass in Zeiten wie diesen der Humor und das Lachen etwas zu kurz kommen. Und dass es noch etwas anderes gibt als Kriege, Pandemien und Gendersternchen. Und dass das verbindende Stilmittel in all meinen Arbeiten, die ja inhaltlich recht abwechslungsreich sind, der Humor ist. Wir werden einen Überblick sehen über mein Gesamtwerk mit einem klaren Schwerpunkt bei den zeichnerischen Arbeiten der letzten zehn Jahre, die zum allergrößten Teil noch niemals im Original ausgestellt worden sind.


Viele Ihrer Romane haben einige hundert Seiten. Ist ein Buch mit kurzen Flabeln im Vergleich zu einem Großwerk wie „Die Insel der tausend Leuchttürme“ eine Fingerübung für Sie?
Ich habe schon immer gerne kurze Formen bedient, früher in meinen Comics oder meiner Arbeit für Fernsehserien. Diese Kurzformen kamen bei der Arbeit an den Romanen etwas kurz, so dass sich bei mir eine regelrechte Sehnsucht nach Kurzem aufgestaut hat. Die hat sich auf einmal explosionsartig in diesen Kurzgeschichten aufgelöst - kurz gesagt. Oder möchten Sie die Langfassung hören?

 

Nein, danke! Ihre Wortneuschöpfungen sind legendär. Woher nehmen Sie die Inspiration für die Einhörnchen, Kratzen und Co.?
Die deutsche Sprache eignet sich nun mal sehr gut dafür. Nehmen wir nur mal das Wort „Bratwurst“. Wenn man darin nur zwei Buchstaben vertauscht und „Bartwurst“ draus macht, wird aus etwas Leckerem etwas total Unappetitliches. Sowas finde ich faszinierend.
Die Flabeln spielen zwar in Zamonien, erstmals aber gibt es dort Dinge aus unserer Welt wie zum Beispiel Lieferdienste. Wie kommts?
In der Zamonienwelt wimmelt es eigentlich von Dingen aus unserer Welt. Diesmal bin ich nur einen Schritt weiter gegangen und habe diese Dinge mit ihren wirklichen Namen benannt, statt sie zu zamonisieren. Sonst wäre aus den Kurzgeschichten wieder ein Roman geworden.

 

Was geht Ihnen durch den Kopf, wenn Sie das erste Mal die Hörbuchfassung eines Ihrer Bücher anhören?
Ich lauere wie ein Geier auf Fehler, die Andreas Fröhlich machen könnte, um mich dann darauf stürzen und ihm vorwerfen zu können, dass er meinen Text falsch interpretiert hat. Aber das ist noch nie geschehen. Bei den Flabeln und ihrer Vielzahl von Protagonisten und Stimmfarben hat er sich wieder einmal selbst übertroffen.

 

Was schätzen Sie an der Interpretation von Andreas Fröhlich? Und findet er für Ihre Figuren die Stimmen, die Sie sich selbst beim Schreiben vorgestellt hatten?
Ich kenne die Stimme von Andreas Fröhlich schon sehr lange von seinen genialen Synchronarbeiten für Schauspieler wie John Cusack oder Edward Norton oder für Gollum in „Herr der Ringe“. Er hat ein sehr rares komisches Timing und die Fähigkeit, zahllose unterschiedliche Stimmen zu generieren und dabei trotzdem immer wieder scheinbar mühelos in die Erzählstimme zurückzufinden. Das können nur ganz wenige professionelle Sprecher. Deswegen war ich so glücklich, als wir ihn für meine Hörbücher gewinnen konnten.

 

Und die letzte, obligatorische Frage: Arbeiten Sie schon am nächsten Buch? Können Sie schon etwas verraten?
Momentan gehe ich fremd und arbeite an einem dicken Buch von und über Edward Gorey, das zu seinem 100. Geburtstag in der ANDEREN BIBLIOTHEK erscheinen wird. Dafür darf ich die Bilder und Geschichten aussuchen, ein bisschen biographischen Text schreiben und übersetzen.
Der nächste Zamonienroman geht auch langsam seiner Finalisierung entgegen. Dazu kann ich bisher nur sagen, dass sein Protagonist aus dem Blaubärroman stammt und er in anderen Dimensionen spielt.

Interview mit Andreas Fröhlich

Lieber Herr Fröhlich, Kurzgeschichten müssen sehr pointiert und dicht sein, um einen Spannungsbogen aufzubauen. Gehen Sie beim Einlesen anders an diese Texte heran als an einen langen Roman? 

Eigentlich nicht. Das Lesen ist im Grunde immer das gleiche: Man bereitet sich vor, dann macht man sich Notizen und legt los. Bei langen Geschichten hat man aber den Vorteil, dass sich relativ schnell die Hauptfiguren herauskristallisiert haben, dann weiß man genau, wie man die zu interpretieren hat, auch im Wechsel mit den Nebenfiguren. Bei kurzen Geschichten wie hier bei den Flabeln, ist das jedes Mal eine neue Herausforderung, weil es eben bei 20 Geschichten mindestens auch 20 Protagonisten gibt. Das heißt also, man hat sich gerade warm gesprochen, die Figur dann im Fluss verinnerlicht – das Eichhörnchen oder das Einhörnchen in diesem Fall, den Wiewolf, die Eintagsfliege oder irgendeinen Froschling –, und dann ist die Geschichte auch schon wieder vorbei. Das ist dann nicht so leicht, die Figuren innerhalb von vier, fünf Seiten akustisch auf den Punkt zu bringen. Das ist anspruchsvoll, macht aber unglaublich viel Spaß. 

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Stichwort „rückwärts leben“: Sie haben schon einige Hörbücher von Walter Moers (ein)gelesen. Welche Geschichte würden Sie gerne nochmal mit komplett neuen Augen lesen und einsprechen? 

Das ist eine schwierige Frage. Es gibt mit Sicherheit ein paar Hörbücher, die ich heute ganz anders einlesen würde als noch vor, sagen wir mal, 20 Jahren, weil sich auch meine Stimme verändert hat und wahrscheinlich auch ein bisschen meine Technik. Aber bei Walter Moers’ Büchern würde ich, glaube ich, alles ähnlich einlesen wie früher, natürlich mit leichten Veränderungen, weil ich mit den Figuren auch gealtert bin. Interessant fände ich in dem Zusammenhang den Schrecksenmeister. Das war mein allererstes Buch, das ich eingelesen habe von Walter Moers, und Eißpin würde ich heute wahrscheinlich ein bisschen anders sprechen, denke ich.

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Orientieren Sie sich an den Zeichnungen von Walter Moers, wenn Sie die Stimmen der einzelnen Wesen bzw. Charaktere anlegen? 

Die Zeichnungen sind sehr wichtig, und oft kriege ich vorher auch schon Zeichnungen von Walter Moers zugeschickt, an denen ich mich dann orientieren kann. Ein dünner Schlaufuchs klingt natürlich ganz anders als ein dicker. Deswegen sind die Zeichnungen in der Vorbereitung enorm wichtig für mich.

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Fabeln und Märchen liest man klassischerweise Kindern vor.  Die Flabeln/Lachfabeln von Walter Moers richten sich aber eher an Erwachsene. Was macht ihren speziellen Humor aus? 

Ich würde sagen, die Anarchie und das Fehlen jeglicher Moral. Das ist wahrscheinlich einzigartig und wird von Walter Moers auch gnadenlos durchgezogen. Am Ende bekommt man immer eins reingewürgt; die Geschichten gehen eigentlich nie gut aus oder anders, als man sich das herkömmlich vorstellt. Aber das ist eigentlich auch das Tolle. Das schreibt Walter Moers ja auch in seinem Nachwort “Humor ist ein ernstes Geschäft”, dadurch natürlich auch unglaublich komisch.

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