Aktuelles | 16.05.2023 | Goldmann

Chinas geostrategische Initiative der »neuen Seidenstraße« hat uns alle im Blick

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Der wirtschaftliche Machtausbau nimmt keine Rücksicht auf Menschenrechte und Umweltschutz. Unser Umgang damit entscheidet über unsere Zukunft.

Vor zehn Jahren rief der chinesische Präsident Xi Jinping das „geostrategische Jahrhundertprojekt“ aus. Er nannte es „die Neue Seidenstraße“, wohlwissend mit diesem Namen positive Assoziationen an vergangenen Reichtum zu wecken. Etwas weniger glamourös ist die synonyme Bezeichnung „Belt-and-Road-Initiative“ (BRI).

Seitdem flutete chinesisches Geld zahlreiche Staaten in Asien, Afrika und Europa. Mit den Krediten aus Peking wurden Bahnstrecken, Häfen und Pipelines gebaut. Ein „Win-Win-Project“ sollte es die neue Seidenstraße werden. Zehn Jahre später ist die Realität eine andere: Zahlreiche Schwellenländer stehen heute vor dem Bankrott, weil sie die Zinsen der Kredite nicht mehr bedienen können. Die Projekte haben Umweltschäden verursacht und die Lebensgrundlage der Einheimischen zerstört. Die Profitabilität der Straßen, Zugstrecken und Flughäfen ist weit hinter den Erwartungen zurückgeblieben. In Sri Lanka hat Peking als Pfand für notleidende Kredite sogar einen Hafen konfisziert.

Dieses Buch beginnt in Europa und führt den Leser auf eine Reise zu den Empfängerländern des chinesischen Geldes: Es geht über den Karakorum-Highway von Xinjiang nach Pakistan, nach Teheran und Istanbul, wo China längst der wichtigste Handelspartner ist und chinesische Unternehmen den Ton angeben. Südostasien bindet Peking mit Zugstrecken und Pipelines immer enger an sich. Und es geht nach Khorgos in Kasachstan, zum größten Container-Trockenhafen der Welt, wo Container aus Chongqing kommend nach Duisburg auf der Schiene transportiert werden.

Entlang der maritimen Seidenstraße besucht das Buch die Straße von Malakka, Pipeline-Terminals in Myanmar, einen chinesischen Hafen in Sri Lanka und die alte Hafenstadt Mombasa in Kenia; von dort soll ein chinesischer Zug einmal alle großen Hauptstädte Afrikas miteinander verbinden.

Und es geht darum, was das chinesische Geld in diesen Ländern bewirkt und anrichtet. Zehn Jahre später ist die Erfolgsbilanz dieses Projekts durchwachsen – aus Sicht der Empfängerländer, um die es in diesem Buch vor allem geht, aber auch für Peking selbst. Aus einem angestrebten Win-win-Verhältnis wurde ein Win-lose oder sogar ein Lose-lose.

In Bukhara und Samarkand, den ehemaligen Zentren der alten Seidenstraße, geht es um die Frage, wie dieser Reichtum verfallen konnte, und um tektonische Verschiebungen des Welthandels. Auf der digitalen Seidenstraße versucht Peking zur Cyber-Großmacht zu werden und globale Standards für das 21. Jahrhundert zu etablieren.

Die „Neue Seidenstraße“ ist ein schmutziges Projekt. Wer genauer hinsieht, merkt schnell, dass hinter Pekings Investitionen etwas anderes steckt als Brücken und Wirtschaftswachstum. Die Initiative ist für das neue China unter Xi Jinping ein Machtinstrument, um seinen Einfluss global auszubauen: Auf den Autobahnen und Zugstrecken werden nicht nur chinesische Waren transportiert, sondern auch Ideologie und Dominanz. Mit Krediten, Netzwerken und Produkten schafft die kommunistische Partei Chinas neue Abhängigkeiten. Telekommunikations-Netzwerke, erbaut von chinesischen Staatsunternehmen wie Huawei, spähen für die KP. Geld macht die – oft korrupten – Entscheider gefügig. Absatzmärkte werden abhängig von chinesischen Billigprodukten. Diktatoren lieben die chinesische Überwachungstechnik und das schnelle Geld, denn Menschenrechte und Umweltschutz spielen dabei keine Rolle. Nach und nach dehnt Peking so seinen Einfluss über die eigenen Landesgrenzen aus, unterstützt autoritäre Regimes und untergräbt Demokratien.

Bei all der Kritik aber ist die Neue Seidenstraße kein maliziöses, boshaftes Projekt, sondern Symptom für veränderte Machtverhältnisse und den Wiederaufstieg Asiens. Oft sind weniger die chinesischen Kredite das Problem als vielmehr der Mangel an Alternativen, und so dreht sich „Die dreckige Seidenstraße“ auch um das Fehlen einer geostrategischen Vision des Westens.

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