Ein wichtiges Merkmal der Manesse-Bücher sind die erläuternden Nachworte. Auf die richtige Passung kommt es hier an. Häufig sind es Autorinnen oder Autoren, die ein völlig neues Licht auf einen Text werfen können, so wie Ingo Schulzes Nachwort zu John Steinbecks Roman »Der Winter unseres Missvergnügens«. Manchmal sind es aber auch Personen des öffentlichen Lebens. Im letzten Jahr erschien Platons »Apologie des Sokrates« in Neuübersetzung von Kurt Steinmann. Ein moralisch-politischer Grundtext der Demokratie. Das Nachwort schrieb Otto Schily, einst Verteidiger von RAF-Terroristen, später hart durchgreifender Innenminister. Und ein klassischer Bildungsbürger.
Literatur aus fernen Zeiten oder Welten erzählt uns mehr über uns, als wir glauben. Das kann manchmal eine ziemliche Zumutung sein. Doch in Zeiten, in denen Literatur immer häufiger nur noch entlang von Wohlfühlkriterien entsteht, ist es vielleicht eine wohltuende Zumutung. »Politik packt die Affekte, Kunst erzieht sie.« Dieses Zitat von Robert Musil fasst es für Horst Lauinger gut zusammen. Populisten und soziale Medien zielen auf die Emotionen und instrumentalisieren sie für ihre eigenen Zwecke. Kunst und Literatur sind frei davon. Sie führen uns Affekte und Emotionen vor, eigene wie fremde, und sie erziehen uns zu Empathie und Verständnis. Das ist das Schöne und zugleich Unverzichtbare an ihnen.
Der Abend klingt aus mit der Theatinerkirche im Flutlicht. Das Publikum steht Schlange am Büchertisch, der sich rasch leert. Marion Bösker-von Paucker, Geschäftsführerin des Freundeskreises, hat die Verlagsbesuche-Reihe vor über zehn Jahren ins Leben gerufen und freut sich, dass diese Reihe nach einer längeren Corona-Pause eine solch gelungene Wiederaufnahme fand.
Text: Markus Desaga